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Das Wort zum Sonntag

Von Pfarrer Dr. Dr. Markus Jacobs


Die Worte und Gedanken dieser sonntäglichen Betrachtung stammen nur zu einem kleinen Teil von mir. Stattdessen entstanden sie aus flüchtigen und doch ernsthaften Kommentaren von Jugendleitern und Kindern auf einer kirchlichen Sommerfreizeit. Als ich in der Gemeinschaftsküche stehend eher beiläufig erwähnte, dass ich für diese Zeitung einige Gedanken zum Sonntag zusammentragen wollte, kam sofort der Zuruf von allen Seiten: »Dann müssen Sie aber über unser Lager schreiben«.
Ich habe zurückgefragt: »Was soll ich denn dann sagen?« Es begann direkt ein kleines Schnellfeuer aus dem Mund der Jugendlichen und Kinder. »Schreiben Sie, dass wir uns noch heute erzählen, was vor vier oder fünf Jahren einmal passiert ist. Denn diese Erlebnisse behalten wir und erzählen sie uns immer wieder neu.« Rückfrage meinerseits: »Woran liegt das denn, dass Ihr Euch gerade diese Erfahrungen immer wieder erzählt?« Antwort: »Weil wir sie gemeinsam erlebt haben und so viel Herz daran hängt«. Nächster Kommentar: »Schreiben Sie, dass wir im Sommerlager zu Arbeiten in der Lage sind, von denen unsere Eltern nicht einmal wissen, dass wir sie beherrschen!«
Sofort ein anderer mit Blick durch das Fenster auf mindestens zwanzig Kinder, die wassertriefend die schweren Materialien für einen Staudammbau ins Lager zurück tragen: »Wenn meine Mutter mich hier sähe, würde sie mich gar nicht wieder erkennen. Zu Hause mache ich solche Arbeiten wie Aufräumen, Kochen oder Anstrengendes gar nicht.« Wieder Rückfrage meinerseits: »Und woran liegt das?« Blickt ein Mädchen auf die gekochte Pellkartoffel, die sie gerade zum Schälen auf eine Gabel aufgespießt in der Hand hält: »Wenn mir jemand zu Hause erzählen würden, ich solle zwei Stunden Pellkartoffeln schälen, würde ich gar nicht erst anfangen. Hier aber habe ich mich selbst gemeldet und es macht sogar Spaß.« »Und warum macht es Spaß?«: »Weil wir mehrere sind, weil wir uns dabei unterhalten können und weil wir sogar noch während dessen auf viele andere guten Ideen kommen.«
Frage meinerseits: »Wir machen dieses Jugendlager ja von der Pfarrei aus. Ist für Euch ein solches Lager für den Glauben wichtig?« Eine Jugendliche: »Zu Hause schaffe ich es nie, so regelmäßig zu beten. Die schönsten Gebete sind für mich die in der Abendrunde. Aber auch am Morgen und vor und nach den Mahlzeiten ist es mir hier selbstverständlich. Hier finde ich dies gut.« Eine andere: »Und man bekommt Impulse für den Glauben. Es sind so viele religiöse Anstöße dabei, über die ich sonst nicht nachdenke.« Sofort eine Leiterin: »Das liegt an der guten Gemeinschaft. Der Glaube an Jesus braucht Gemeinschaft. Und hier erleben wir diese Gemeinschaft. In Gemeinschaft sind viele Dinge des Glaubens auch leichter zu vollziehen und im Leben umzusetzen.«
Es kamen noch ganz verschiedene andere Kommentare. Doch schon in diesen eher wahllos und zuerst genannten ist manches Bedenkenswerte enthalten: Wie gut es offenbar den Kindern und Jugendlichen tut, ihnen gemeinschaftliche Erfahrungsfelder außerhalb ihres Zuhauses zu verschaffen. Manche Gaben werden ihnen zu Hause offensichtlich nie richtig entlockt. Dies ist vermutlich kein Versäumnis der Familie, sondern einfach dort aus verschiedenen Gründen kaum möglich. Anders ausgedrückt: Gott hat Gnadengaben verliehen, die in dem kleinen behüteten Umfeld des Zuhauses gar nicht entdeckt werden oder keine Entfaltung finden.
Auch Arbeit kann offenbar sehr verschieden erlebt werden. In unseren spezialisierten Arbeitsvorgängen, wo am liebsten jedem sein sauber umschriebener Verantwortungsbereich übertragen wird, für den er möglichst noch alleine zuständig ist, wird manche Freude an der Arbeit gar nicht entdeckt.
Und der Zusammenhang von Glauben und Gemeinschaft ist tatsächlich mit Händen zu greifen. So viele Kinder und Jugendliche finden beispielsweise in Freizeiten eine religiöse Lebenskultur wie selbstverständlich »gut«, die sie zu Hause nicht erleben und alleine auch schlecht durchhalten können. Unsere geordneten kleinen Welten des Zuhauses sind nicht alles - weder für das Erkunden unserer Welt, noch für die Entwicklung unserer Gaben, noch für den Glauben. Das gilt für junge Menschen wie für Erwachsene. Es lohnt sich immer, Kraft in ungewöhnliche Wege zu stecken. Jesus selbst nahm seine Jünger beiseite und lud sie ein: »Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind.«

Artikel vom 23.07.2005