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Versöhnungsgedanke
steht im Vordergrund

»Heim-statt Tschernobyl« leistet Hilfe in Weißrussland

Von Caroline Carls
Bielefeld (WB). »Ich wollte schon seit langem im Ausland Projektarbeit leisten«, sagt Martin Cornelsen. Mit sieben Schülern des Oberstufenkollegs Bielefeld, einem Dolmetscher und einem handwerklichen Berater ist der 48-jährige Bielefelder nun zum zweiten Mal im Norden Weißrusslands gewesen, um alte Menschen bei der Renovierung ihrer Häuser zu unterstützen.

Martin Cornelsen arbeitet seit 1986 als Heilerziehungspfleger in Bethel. Vor zwei Jahren sei er eher zufällig zu dem Verein »Heim-statt Tschernobyl« gekommen, erzählt der gelernte Zimmermann, »aber seitdem mit vollem Einsatz dabei.« Seit dieser Zeit unterstützen auch die Schüler des Oberstufenkollegs im Rahmen ihrer Projektwochen die Arbeit des Vereins in Weißrussland.
Cornelsen begleitet und koordiniert die Projektarbeit der Kollegiaten. Drei Wochen im Sommer verbringen sie dort und helfen insbesondere alleinstehenden Frauen, ihre renovierungsbedürftigen Holzhäuser wieder instand zu setzen. »Drei Baustellen hatten wir dieses Jahr: Ein komplettes Zimmer haben wir renoviert, zwei Fußböden neu verlegt, zwei Kamine verputzt, mehrere Fenster neu verglast und einen neuen Gartenzaun gebaut«, erzählt Martin Cornelsen.
1992 wurde »Heim-statt Tschernobyl« von dem Theologen Dietrich von Bodelschwingh gegründet. Der Verein setzt sich insbesondere für die Umsiedlung von Menschen ein, die in den verstrahlten Gebieten Weißrusslands wohnen. Denn selbst 19 Jahre nach der verheerenden Reaktorkatastrophe leben noch immer mehr als zwei Millionen Menschen in der Region um Tschernobyl. Dort, wohin der Wind die radioaktive Wolke im Frühjahr 1986 trieb.
Jungen Familien mit Kindern gibt der Verein die Möglichkeit, in den nichtverstrahlten Norden des Landes umzusiedeln. Für die neuen Bewohner sind in den vergangenen 14 Jahren rund um Drushnaja und Lepel 49 Lehmhäuser errichtet worden. Dabei wird ein ökologisches Bauverfahren angewandt, an dem sich sowohl die zukünftigen Bewohner wie auch die freiwilligen Helfer aus Deutschland ohne besondere Vorkenntnisse beteiligen können.
»Neben dem Ziel der Umsiedlung ist der Versöhnungsgedanke zwischen Deutschen und Weißrussen ein zentraler Aspekt unserer Arbeit«, betont Martin Cornelsen. Denn vor allem während des Zweiten Weltkriegs sei das Land von deutschen Soldaten zerstört worden, erklärt er. »Das gemeinsame Leben und Arbeiten bietet daher die Chance zur internationalen Verständigung.«
»Heim-statt Tschernobyl« ist ein Verein, der sich mit einem umfassenden Konzept für die Menschen in Weißrussland engagiert: vom Bau der Lehmhäuser über die Integration der Familien in der neuen Umgebung bis hin zu strukturell-ökologischen Hilfen wie der Errichtung eines Windkraftwerks vor sechs Jahren.
Im Jahr 2003 wurde der Verein mit dem »Marion-Dönhoff-Förderpreis für internationale Verständigung und Versöhnung« ausgezeichnet.

Artikel vom 22.07.2005