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Sechseinhalb Jahre
für »hässliche« Tat

Raub und Vergewaltigung abgeurteilt

Bielefeld (hz). Im Landgerichtsprozess um Raub, Vergewaltigung und Entführung der 38-jährigen Karin N. (Name geändert) ist am gestrigen Freitag der Angeklagte Holger T. (23) zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Damit lag die 4. Große Strafkammer deutlich unter dem Antrag von Staatsanwalt Lothar Hirschberg, der neun Jahre Gesamtfreiheitsstrafe gefordert hatte.

Vorsitzender Richter Wolfgang Korte begründete den Urteilsspruch damit, dass es sich bei Holger T. um einen jungen Mann mit »schwerer Kindheit« handle, der trotz einschlägiger Vorstrafen als Jugendlicher erstmals die Härte eines Strafvollzuges für Erwachsene spüren werde. Gleichzeitig wertete Korte das Geschehen von der Nacht zum 17. November 2004, als Karin N. auf der Bleichstraße brutal niedergeschlagen, im Ravensberger Park ausgeraubt und vergewaltigt sowie anschließend für kurze Zeit als Geisel genommen worden war, als »eine besonders böse und hässliche Tat«. Das Opfer, so der Vorsitzende Richter, habe »die schlimmsten Todesqualen ausgestanden« (Bericht in der gestrigen Ausgabe) und leide bis heute körperlich sowie seelisch an den Folgen des Überfalls.
Der aus der Obdachlosenszene stammende Angeklagte Holger T., dem Gutachter beim Prozess eine »dissoziale Persönlichkeit« mit der Neigung zum Begehen weiterer schwerer Straftaten bescheinigten, hatte vor Gericht zwar zugegeben, mit seinem Komplizen Niels V. (23) in der Tatnacht in der Altstadt einen geparkten Mercedes ausgeräumt zu haben. Doch Raub, Vergewaltigung und Geiselnahme von Opfer Karin N. hatte der 23-Jährige vehement bestritten. So mahnte sein Verteidiger Heiko Kursawe im Schlusswort an, dass es sich beim Verfahren um einen reinen Indizienprozess gehandelt habe, bei dem vielleicht der falsche Angeklagte zur Verantwortung gezogen worden sei.
Hauptbelastungszeuge gegen Holger T. war dessen ehemaliger Komplize Niels V. gewesen. Der Mann, ehemals Zimmergenosse des 23-Jährigen in der Notunterkunft an der Ernst-Rein-Straße, sitzt wegen der Beteiligung am Überfall auf Karin N. seit Donnerstag in Untersuchungshaft. Am Freitag vor Gericht dauerte der Auftritt des wichtigsten Zeugen gerade einmal fünf Minuten - Niels V. machte umgehend von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch.
Rechtsanwältin Ricarda Osthus, die die Nebenklage für das Opfer beim Strafprozess vertrat, warf in ihrem Plädoyer dem Angeklagten vor, »bei einer ganz abscheulichen Tat« die 38-jährige Karin N. »in Todesangst versetzt und diese Ängste infam ausgenutzt zu haben«. Vor allem, weil Holger T. niemals ein Wort der Entschuldigung gefunden und das Opfer lebenslang unter den Folgen zu leiden habe, könne die Strafe gar nicht hoch genug ausfallen.
Wie stark Karin N. mehr als ein halbes Jahr nach Raub und Vergewaltigung immer noch unter dem Eindruck des schrecklichen Geschehens von November 2004 steht, zeigte sich am Freitag kurz vor der Urteilsverkündung. Nach den Worten ihrer Anwältin brach die 38-Jährige vor Gericht mit einem Weinkrampf zusammen.

Artikel vom 23.07.2005