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Der »goldige« Kutscher

Reiten: deutscher Doppelerfolg bei der EM in Italien

San Patrignano (dpa). Mit geballter Faust und lauten Jubelschreien hat Marco Kutscher den Gewinn der Europameisterschaft gefeiert. Der 30-jährige Springreiter, der vergangenen Sonntag noch beim Großen Preis von Steinhagen triumphiert hatte, gewann zwei Tage nach dem Team-Gold in San Patrignano auch den Einzel-Titel und machte den deutschen Erfolg damit komplett.

Marco Kutscher ritt mit seinem Hengst Montender als letzter Starter ins Viereck und behielt die Nerven. Mit einem fehlerfreien Ritt ließ er Christina Liebherr (Schweiz) mit No Mercy und Jeroen Dubbeldam (Niederlande) mit Nassau hinter sich.
»Einfach unglaublich«, schrie Kutscher und feierte nach Olympia-Bronze in Athen seinen größten Einzelerfolg. »Ich hatte heute auch die nötige Portion Glück. Ein Riesenkompliment an mein Pferd. Er ist super gesprungen.« Als einer der ersten gratulierte Ludger Beerbaum, bei dem der gebürtige Ostfriese seit sechs Jahren arbeitet. Kutscher ist damit Nachfolger von Christian Ahlmann (Marl), der mit Cöster Fünfter wurde.
Kutscher ist ein Spätstarter und überraschte auch Experten, als er 2003 in Gera die deutsche Meisterschaft gewann. Nur Ludger Beerbaum hatte schon damals auf ihn gesetzt. Der seit Jahren erfolgreichste Reiter der Welt hatte das Talent früh erkannt, ihn 1999 in seinen Stall im westfälischen Riesenbeck geholt und zunächst für die Ausbildung junger Pferde eingesetzt. »Er hat ein überragendes Grundgefühl dafür, wie man ein Pferd harmonisch fortbewegt«, schwärmte Beerbaum über seinen Schüler. Er bezeichnete seinen strebsamen Bereiter als »so etwas Ähnliches wie sechs Richtige im Lotto«.
Bundestrainer Kurt Gravemeier ist ebenfalls voll des Lobes für das Naturtalent. »Marco ist ein Mann, der mit jedem Pferd reiten kann«, sagt der Coach. In seiner Erfolgsstatistik fehlten bisher die großen Einzel-Erfolge. Auf einen Sieg in einem wichtigen Großen Preis wartet Kutscher noch. Der Pferdewirtschaftsmeister reitet im Zweifelsfall die weniger riskante Variante und bezeichnet sich selbst »eher als besonnen. Ich mache selten Dinge, die unüberlegt sind - weder so noch im Parcours.«
Ein starke Vorstellung lieferte Meredith Michaels-Beerbaum (Thedinghausen) mit Checkmate. Sie schob sich mit zwei tadellosen Nullrunden weiter nach vorne bis auf Rang neun. Zufrieden war sie vor allem, weil sie nach dem Team-Erfolg kurz erwogen hatte, auf einen Einzelstart zu verzichten. Gestern entschied sie sich kurzfristig, mit dem zehnjährigen Hannoveraner-Wallach erneut anzutreten, obwohl sie von den Medaillen-Rängen weit entfernt war. »Das war richtig, Checkmate hat sehr viel gelernt«, sagte die Weltcup-Siegerin, die ihr Toppferd Shutterfly wegen einer Verletzung nicht einsetzen konnte.
Weniger erfreulich verlief die EM für Marcus Ehning. Nach dem Auftakt am Donnerstag hatte er mit Gitania noch geführt, fiel dann aber am Freitag zurück und musste schließlich in der letzten Runde gestern sogar aufgeben. Die dreizehnjährige Holsteiner-Stute verweigerte vor dem vierten Hindernis, nur mit Mühe konnte Ehning einen Sturz verhindern.

Artikel vom 25.07.2005