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Unionsstreit um Ost-Strategie

Landespolitiker fordern Sonderprogramm - Merkel will »einen Wahlkampf«

Berlin (Reuters/dpa). In der Union ist ein Streit um eine spezielle Ost-Wahlkampf-Strategie ausgebrochen. Nachdem bei einem Treffen der Generalsekretäre der Ost-Landesverbände mit dem Generalsekretär der Bundes-CDU, Volker Kauder, über Spezialmaßnahmen für den Wahlkampf in Osten gesprochen worden war, lehnte Kanzlerkandidatin Angela Merkel dies gestern Abend ab.

»Wir führen einen Wahlkampf für ein Land«, sagte die CDU-Vorsitzende in der »Financial Times Deutschland« von heute. Ein spätes Dementi. Den ganzen Tag über hatte Merkel zu der vermeintlichen Doppelstrategie der Union geschwiegen. Zudem hatte sie gegenüber der »Süddeutschen Zeitung« tags zuvor mit Bezug auf die hohe Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland erklärt: »Wenn da oft auf einen freien Arbeitsplatz zig Bewerbungen kommen, brauche ich keine Vorträge darüber zu halten, dass Arbeitslose zumutbare Jobs annehmen müssen. Da darf ich nicht den Eindruck erwecken, als wenn Zumutbarkeit ein zentrales Problem in den neuen Bundesländern ist und die Menschen nicht arbeiten wollen.«
Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus, sein sächsischer Kollege Georg Milbradt und die Generalsekretäre der Ost-Landesverbände hatten sich dafür ausgesprochen, dass Merkel ihre ostdeutsche Herkunft im Wahlkampf stärker betonen sollte. Berichte, wonach sich die Generalsekretäre aus den ostdeutschen CDU-Landesverbänden und Generalsekretär Volker Kauder auf ein Sonderprogramm oder eine nur auf den Osten zugeschnittene Strategie verständigt hätten, wurden jedoch in der Bundes-CDU nicht bestätigt.
Einvernehmen besteht darüber, dass sich die CDU im Wahlkampf mehr auf die Belange der Menschen in den neuen Ländern konzentrieren will. Der Kampf gegen das Bündnis aus Linkspartei und Wahlalternative WASG gilt für viele als die Hauptaufgabe.
Sachsens Ministerpräsident Milbradt stufte das Linksbündnis sogar als Hauptgegner der CDU in Ostdeutschland ein. Die Union habe bisher nicht vom Vertrauensverlust der Wähler in die SPD profitieren können, wohl aber die PDS. Daher müsse die CDU enttäuschte SPD-Wähler gewinnen, indem sie sich auf Probleme des Ostens konzentriere wie die hohe Arbeitslosigkeit und die größer werdende Schere beim Wirtschaftswachstum zwischen Ost und West. Merkel komme da eine besondere Rolle zu, sagte Milbradt: »Ihr nimmt man ab, dass sie die Probleme kennt.«
»Wir können eine Neuwahl nicht allein im Osten gewinnen, aber durchaus hier verlieren«, sagte der thüringische CDU-Generalsekretär Mike Mohring. Der sächsische CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer sagte der »Berliner Zeitung«: »Es muss auf die spezifische Situation in Ostdeutschland eingegangen werden.«
Andere Landespolitiker warnten jedoch davor, ein Spezial-Programm für den Osten zu entwerfen und die DDR-Herkunft von Merkel, die auch einen Wahlkreis in Vorpommern hat, für den Wahlkampf besonders herauszustellen. Gebraucht werde eine Kanzlerin aller Deutschen und nicht aller Ostdeutschen, sagte Sachsen-Anhalts CDU-Chef Thomas Webel. Der CDU-Vorsitzende in Mecklenburg-Vorpommern, Eckhardt Rehberg, erklärte: »Man muss die spezifischen Probleme im Osten ansprechen, aber ich bin gegen einen gesonderten Wahlkampf.«
Nach der jüngsten Forsa-Umfrage verloren CDU und CSU bundesweit in der vergangenen Woche in der Wählergunst weiter leicht und kämen bei einer Bundestagswahl am Sonntag auf 44 Prozent. Die Linkspartei aus PDS und der SPD-Abspaltung WASG legte um einen Punkt zu und würde demnach mit elf Prozent der Stimmen als drittstärkste Partei in den Bundestag einziehen.

Artikel vom 21.07.2005