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Leitartikel
Schröders Etappensieg


Kann er's wie Münchhausendrehen?


Von Rolf Dressler
Als wäre es gestern gewesen, so unglaublich nah klingen uns Bürgern die Abgesänge auf das rot-grüne »Projekt« Schröder/Fischer & Company in den Ohren.
Und tatsächlich ist es ja erst ein paar kurze Wochen her, dass sich Presse, Funk und Fernsehen praktisch »wie ein Mann« darin überboten, dieser Bundesregierung das Totenglöcklein zu läuten. Kaum aber hat der Bundespräsident die Auflösung des Deutschen Bundestages beschlossen und verkündet, um den Weg zu vorzeitigen Neuwahlen zu ebnen, da scheint die Untergangsstimmung plötzlich wie weggeblasen bei den eben noch scheinbar total deprimierten Sozialdemokraten und auch bei deren grünen Koalitionären.
Zumindest verbal fasst speziell die Kanzler-Partei sichtbar und hörbar wieder Mut, Umfrage-Dauertief hin oder her. Kein Wunder, dass bei der Kanzlerkandidaten-Konkurrenz von CDU/CSU und FDP Unbehagen und Unruhe aufkeimen, zumal ein Dritter im Bunde mächtig mitmischt: die sozialistisch-marxistischen Außenstürmer der Linkspartei alias PDS.
Jedwedes Vertrauen verloren? Allen Kredit verspielt? Von wegen, das war gestern. Jetzt, nach des Präsidenten Neuwahl-Wort, heißt es urplötzlich, Gerhard Schröder möge zwar vorübergehend einsam gewesen sein wie selten zuvor, doch von Grund auf gefestigt entsteige er nun dem Stahlbad der rot-grünen Sach- und Sinnkrise.
Heraus schält sich ein zeitgenössisches Bild raffinierter politischer Sitten und Gebräuche, das seinesgleichen sucht.
Es mag ja stimmen, dass SPD-Chef Franz Müntefering »seinem« Kanzler in der größten Krisenhitze bedeutete, er könne ihm seitens der SPD-Fraktion wie auch der Parteibasis Loyalität fortan nicht mehr garantieren. Genau dies aber muss Schröder - unter dem taufrischen Eindruck der krassen Niederlage bei der NRW-Landtagswahl - dazu getrieben haben, aus dem Stand die mutmaßlich allerletzte Karte zu ziehen: über eine Vertrauensfrage im Parlament geradewegs Richtung Bundestagsneuwahlen. Schröders kühles Kalkül ist bislang fein aufgegangen. Sogar der Bundespräsident als oberste Verfassungsautorität stärkte ihm einschränkungslos den Rücken.
Hätte Horst Köhler nein gesagt, würde die Opposition ihm ankreiden, den quälenden politischen Stillstand in Deutschland weiter verlängert zu haben. Nun werden natürlich auch CDU/CSU und FDP sich hüten, dem Präsidenten vorzuhalten, er habe seinen Ermessensspielraum parteilich-eigenmächtig überschritten und damit gar der Verfassung und dem eigenen Staatsamt Schaden zugefügt. Das besorgt der Grünen-Abgeordnete Werner Schulz, der genau deswegen das Karlsruher Verfassungsgericht anruft.
Einen Etappensieg hat Gerhard Schröder immerhin gelandet. Wird er sich und das objektiv gescheiterte rot-grüne »Projekt«, an welchem Wahlsonntag auch immer, doch noch am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen?
Das könnte ihn unsterblich machen - als Medienkanzler Gerhard Baron von Münchhausen.

Artikel vom 23.07.2005