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Mit 60 Jahren als Mieter unkündbar

Gagfah GmbH setzt »Sozial-Charta« um - Preisnachlass bei Wohnungskauf

Von Gerhard Hülsegge
(Text und Foto)
Bielefeld (WB). Gute Zeiten für Mieter: Die Gagfah GmbH (Essen) hat als Eigentümerin von rund 80 000 Wohnungen bundesweit jetzt erstmals auch für die rund 4000 Mieter in Bielefeld den Kündigungsschutz vertraglich verankert. Es gilt eine so genannte »Sozial-Charta«, die zum 30. September in Kraft tritt.

Sie besagt: Wer bis dahin Mieter einer Gagfah-Wohnung war, erhält bis zum 30. September 2014 einen Schutz vor Kündigungen wegen Eigenbedarf oder Verhinderung angemessener wirtschaftlicher Verwertung. Mieter, die zu diesem Zeitpunkt älter als 60 Jahre sind, müssen für die gesamte Dauer des Mietvertrages und damit unter Umständen lebenslang nicht mehr damit rechnen, vor die Tür gesetzt zu werden.
Warum nicht schon ab 50? »Irgendwo muss man eine Grenze setzen«, erklärte dazu gestern Gagfah-Pressesprecher Peter Kummer gegenüber dem WESTFALEN-BLATT. »Mit diesen umfangreichen Kündigungsschutzregelungen für die Mieter gehen wir weit über das gesetzliche Maß hinaus«, betont der Leiter der Geschäftsstelle in Bielefeld mit Sitz an der Nikolaus-Dürkopp-Straße 14, Johannes Herl. Der Direktor des Deutschen Mieterbundes, Dr. Franz-Georg Rips, bezeichnete die Absicherung des Kündigungsschutzes als »beispielhaft« und als »einen Gradmesser für Sozialverträglichkeit«.
Hintergrund der mieterfreundlichen Aktion: Die Gagfah gehört seit Oktober 2004 zur US-Fondsgesellschaft Fortress Investment Group LLC. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) hatte ihre Anteile (fast 100 Prozent) für netto 2,1 Milliarden Euro verkauft und die Charta zur Bedingung für die Übernahme gemacht. Gagfah möchte den Wohnungsbestand langfristig auf 110 000 Wohnungen erhöhen und ein »Immobilienhandelshaus« (so Kummer) werden. Für Ende 2006 ist der Gang an die Börse geplant.
Häuser der Gagfah stehen auf Bielefelder Terrain unter anderem in Sieker, Sennestadt und Jöllenbeck. Wohnungsverkäufe an die Mieter erfolgen mit 15-prozentigem Rabatt gegenüber dem marktüblichen Preis. Die Einarbeitung der Charta-Zusätze in die Mietverträge ist inzwischen weitgehend abgeschlossen und soll den Mietern (73 000 in ganz Deutschland) nicht zuletzt die Angst vor Blockverkäufen nehmen.
Herl: »Damit die Ergänzungen zweifelsfrei Bestand haben, haben wir sie handschriftlich unterschrieben, ehe wir sie unseren Mietern für ihre eigenen Unterlagen zusandten.« Wer auf den ersten Brief noch nicht reagiert hat, kann sich telefonisch unter 05 21 / 93 23 80 melden.

Artikel vom 21.07.2005