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WDR zeigt nach
Sonderprüfung
Produzenten an

Schleichwerbung in »Tatort«-Krimis

Köln (dpa). In der Affäre um Schleichwerbung in ARD-Serien hat der WDR juristische Schritte gegen einen der beteiligten Produzenten eingeleitet.
Wehrt sich: SWR-Intendant Peter Voß.Foto: dpa

Nach einer Sonderprüfung bei der Produktionsfirma Colonia Media, bei der Schleichwerbung in »Tatort«-Krimis ermittelt wurde, stellte der WDR gestern Strafantrag gegen den Ex-Geschäftsführer Frank Döhmann. Die Prüfer stellten fest, dass unter Döhmanns Geschäftsführung die Schleichwerbung sogar zum Minus-Geschäft für Colonia Media wurde. Dafür profitierte eine Agentur, die zu 80 Prozent Döhmann gehörte, von dem Geschäft. Sie erhielt von Colonia für Vermittlungsdienste 109 000 Euro mehr, als sie für die Produkt-Platzierung zahlte.
Colonia Media ist eine hundertprozentige Tochter der in Geiselgasteig bei München ansässigen Bavaria Film, die mehrheitlich den Sendern WDR, MDR, SWR und BR gehört. In zwei »Tatort«-Folgen aus dem Jahr 2002 haben nach Feststellung der Prüfer die Bausparkasse der Sparkassen (LBS) und der Landwirtschaftliche Versicherungsverein Münster (LVM) für die Platzierung von Produkten gezahlt. Die Summe sei nicht eindeutig erkennbar, sagte WDR-Sprecher Rüdiger Oppers. Für diese Art von Geschäften gebe es nicht immer Belege und Verträge. Bei zwei weiteren »Tatort«-Folgen soll ebenfalls Geld von Dritten geflossen sein, aber die Prüfer fanden keine Produktwerbungen.
Beim Südwestrundfunk (SWR) stellt man sich inzwischen die Frage, ob man sich »als Anteilseigner der Bavaria auf Dauer am richtigen Standort und bei der richtigen Firma« engagiere, wie Intendant Peter Voß gestern erklärte. Anlass waren Äußerungen von Bayerns Medien- und Staatsminister Erwin Huber (CSU). Der hatte die ARD-Intendanten als selbstherrlich bezeichnet und sie aufgefordert, »im Skandal um Bestechung und Schleichwerbung endlich ihrer Verantwortung gerecht zu werden«. Die Intendanten müssten aus dem Urlaub zurückkehren, die Fakten auf den Tisch legen und alle Unterlagen zu dem Skandal den Landesrechnungshöfen zur Prüfung übergeben.
Voß warf Huber »Heuchelei« vor und nannte es »ausgesprochen albern, wenn Leute, die bei der Aufklärung bisher die Bremser waren, uns jetzt mit solchen Belehrungen kommen«. Die Intendanten seien durch eine landeseigene bayerische Bank unter Mitwirkung Hubers eher daran gehindert worden, die notwendigen personellen Konsequenzen zu ziehen. Neben dem SWR gibt es auch beim WDR, dem größten Bavaria-Anteilseigner, Überlegungen, aus der Produktionsfirma auszusteigen.
In der Diskussion um Schleichwerbung hat der Deutsche Rat für Public Relations (DRPR) die PR-Branche zur Einhaltung der Werberichtlinien aufgefordert. »Jede Form von Werbung muss offen erfolgen und für den Verbraucher erkennbar sein«, sagte DRPR-Mitglied Günter Bentele. Die Platzierung von Produkten und Dienstleistungen gegen Geld wie in der ARD-Serie »Marienhof« habe die »dramaturgisch nötige Grenze des Zulässigen weit überschritten«. Diese Schleichwerbung sei für PR und Medien »weder rechtlich noch moralisch erlaubt«. Bentele, der an der Universität Leipzig Lehrstuhlinhaber für Öffentlichkeitsarbeit und Public Relations ist, wies auf »sehr präzise Richtlinien« für die Werbebranche hin, die Schleichwerbung verbieten.

Artikel vom 20.07.2005