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»Sind die Macht
in Bielefeld«

Erster Zeuge im Schutzgeld-Prozess

Bielefeld (hz). Im bis Jahresende terminierten Landgerichtsprozess gegen vier mutmaßliche Schutzgelderpresser aus den Reihen des deutsch-russischen Kampfsportvereins »Olymp« (das WB berichtete zuletzt am 15. Juli) ist gestern der erste Zeuge gehört worden.

Waldemar S. (27), der mit seinem Bruder die vorwiegend von jungen Deutsch-Russen besuchte Brackweder Diskothek »Prime« betreibt, berichtete der 4. Großen Strafkammer bei seiner mehrstündigen Vernehmung von den besonderen Methoden, russischstämmige Geschäftsleute gefügig zu machen. Mit markigen Sprüchen wie »Wir sind die Macht in Bielefeld! An uns müsst Ihr erst einmal vorbeikommen!« sollen die mutmaßlichen »Köpfe« der Schutzgelderpresser, Eduard N. (32) und Witali S. (31), geprahlt haben. Was Widersachern drohen würde, soll Eduard N. demonstriert haben: Mit einer Gabel, bestimmt zum Augenausstechen, sowie Handbewegungen, die das Durchladen einer Pistole zeigten.
Zwar sei er, so Waldemar S. bei seiner Aussage vor Gericht, »von keinem direkt unter Druck gesetzt« worden. Doch habe er die von Eduard N. und Witali S. ausgehende »Macht« gespürt: »Ich habe das damals so verstanden, dass man sich gegen die nicht querstellen sollte.«
Eduard N. und Witali S., die nach den Angaben des Diskobesitzers in Lage (Kreis Lippe) ein Bordell betrieben haben sollen, sowie die zwei anderen Angeklagten Eugen P. (35) und Watscheslaw H. (29) waren eine Zeit lang auch mit Waldemar S. geschäftlich verbunden gewesen. Die »Köpfe« der Schutzgelderpresser betrieben einen Imbiss an der Disko und übernahmen später ein russisches Restaurant am Klosterplatz, Eugen P. und Watscheslaw H. waren als Disko-Türsteher tätig.
Ständigen Überredungsversuchen von Eduard N. und Witali S., sich bei der Tarnorganisation der mutmaßlichen Schutzgelderpresser, dem Kampfsportverein »Olymp« von der Ritterstraße, zu engagieren, hätten er und sein Bruder geschickt abgeblockt, berichtete Waldemar S. vor dem Landgericht. Weder dem Drängen, in den Vorstand des offiziell als gemeinnützig für den Jugendsport agierenden Vereins einzusteigen, noch für »Olymp« zu spenden, habe man nachgegeben. Waldemar S.: »Wenn man einmal zahlt, dann zahlt man immer.«
Der Prozess wird kommenden Donnerstag fortgesetzt.

Artikel vom 19.07.2005