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Polizei stoppt Siedler-Marsch

Gaza-Abzugsgegner verschärfen Proteste - 100 000 wollen sich versammeln

Tel Aviv/Ramallah (dpa/Reuters). In einem landesweiten Großeinsatz ist die israelische Polizei gestern gegen Abzugsgegner vorgegangen, die an einem Protestmarsch in den gesperrten Gazastreifen teilnehmen wollten.
Mit ungewöhnlichen Maßnahmen verhinderten die Sicherheitskräfte die Anreise tausender Demonstranten in Bussen zu einem Sammelpunkt in der israelischen Stadt Netivot. Der Siedlerrat nannte die Polizeiaktion »diktatorisch« und rief die Demonstranten auf, sie sollten versuchen, »auf jede erdenkliche Art« zu den Protesten zu gelangen. Viele Abzugsgegner brachen daraufhin zu Fuß oder in eigenen Autos nach Netivot auf, wo etwa 100 000 Menschen erwartet wurden.
Polizisten nahmen nach Medienberichten Busfahrern in verschiedenen Ortschaften die Führerscheine ab. Zudem forderte die Polizei von Fuhrunternehmen, die Beförderung von Demonstranten zu unterlassen. Der israelische Armeesender meldete, mehr als 50 Busse seien an der Anreise gehindert worden. Die Siedler wollten am Abend zu einem Drei-Tage-Marsch von Netivot in den Siedlungsblock Gusch Katif aufbrechen. Tausende von Sicherheitskräften sind im Einsatz, um den Marsch zu verhindern.
Rechtsorientierte Israelis kritisierten die Polizeimaßnahmen scharf als undemokratisch. Der Abgeordnete Uri Ariel von der Nationalreligiösen Partei nannte den israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon nach Angaben des Armeesenders einen »Diktator, der selbst neue Extremisten schafft«. An verschiedenen Orten begannen Siedler zu Fuß in Richtung Gazastreifen zu marschieren, als sie nicht in Transportbusse einsteigen durften.
Die Polizei hatte die Aktion untersagt, weil die Einreise von Israelis in den Gazastreifen einen Monat vor dem Abzug bereits verboten ist. Vom 17. August an sollen die israelische Armee und Polizei insgesamt 25 Siedlungen im Gazastreifen und nördlichen Westjordanland räumen.
Militante Palästinenser hatten in der Nacht zum Montag erneut israelische Siedlungen und Stützpunkte im Gazastreifen mit Mörsergranaten beschossen. Eine Armeesprecherin sagte, es seien mindestens 13 Geschosse eingeschlagen. Dabei wurde jedoch niemand verletzt. Die Angriffe waren allerdings deutlich schwächer als in den vergangenen Tagen.
Im Westjordanland nahmen israelische Soldaten in der Nacht zum Montag sechs mutmaßliche Mitglieder der radikalislamischen Hamas-Bewegung fest.
Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas hatte zuvor die radikalen Palästinenser-Gruppen erneut zur Einhaltung der seit Februar geltenden Waffenruhe aufgerufen. Er versprach, alles zu tun, um weitere Raketenangriffe auf Israelis zu verhindern - egal was es koste. Vermittler aus Ägypten haben sich inzwischen eingeschaltet, um den Waffenstillstand nicht vollständig scheitern zu lassen.
US-Außenministerin Condoleezza Rice will zudem Ende der Woche mit Scharon zusammentreffen, um die Einhaltung des bisherigen Abzugsplans sicherzustellen. Scharon hatte am Wochenende mit einer militärischen Großoffensive im Gaza-Streifen gedroht und seiner Armee freie Hand im Kampf gegen palästinensische Extremisten gegeben. Er habe die Armee angewiesen, »ohne jede Einschränkung vorzugehen, um die Luftangriffe auf israelische Gemeinschaften zu stoppen«.
»Wir werden fortfahren, den Feind mit Raketen und Sprengsätzen zu bombardieren bis sie unser besetztes Gebiet verlassen haben, besiegt und gedemütigt«, erklärte ihrerseits die Hamas. Zuvor hatte ein hochrangiger Vertreter der Gruppe gesagt, die Hamas werde die Waffenruhe einhalten. Allerdings habe sie das Recht auf Widerstand und Selbstverteidigung. Insgesamt hat es in der vergangenen Woche mehr als hundert Angriffe der Hamas gegeben, dabei war auch eine Israelin getötet worden. Die Hamas sprach von Vergeltung für die Ermordung ihrer Anhänger. Das israelische Militär hat seit Freitag acht Hamas-Kämpfer getötet.

Artikel vom 19.07.2005