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Die Rivalen sind auch Freunde

Tour de France: Lance Armstrong sieht in Basso seinen Thronfolger

Pau (dpa). Lance Armstrong hat die Erbfolge schon im Vorjahr in die Wege geleitet und eine Woche vor dem letzten Renntag seiner Karriere manifestiert: Ivan Basso, im Vorjahr Dritter, in diesem Jahr in Paris wahrscheinlich Zweiter, soll bei der Tour de France der Mann der Zukunft sein - obwohl Jan Ullrich für 2006 bereits den erneuten Anlauf auf den Tour-Olymp ankündigte.
Auf Tuchfühlung: Ivan Basso (vorn) aus dem dänischen CSC-Team war bislang nur selten vor Lance Armstrong, aber umso häufiger in dessen Windschatten zu sehen.Foto: Reuters
Armstrongs Team-Kollege Jaroslaw Popowitsch (Ukraine) und Alejandro Valverde (Spanien) könnten Basso das Erbe wahrscheinlich am ehesten streitig machen.
Die Freundschaft auf dem Rad begann im Vorjahr in den Pyrenäen beim Aufstieg nach La Mongie, wo Basso vor Armstrong gewann oder gewinnen durfte. Am Folgetag revanchierte sich der Amerikaner auf dem Plateau de Beille mit einem Etappensieg - im Schlepptau Basso.
Auf der 15. Etappe nach Saint-Lary-Soulan harmonierten beide am Sonntag wieder bestens. Nachdem die Attacken der Basso-Mannschaft an Armstrong abgeperlt waren, kooperierten beide und belegten Ullrich und den Dänen Mikael Rasmussen mit Strafminuten. Privat verstehen sich der Amerikaner und der Italiener, seit Armstrong Basso nach dem Krebstod seiner Mutter besonders beistand.
»Basso ist die Zukunft«, jubelte gestern die italienische Zeitung »Il Secolo XIX«. Und »Il Tirreno« kennt auch die von 2006 an geltende Tour-Hierarchie: »Ivan der Schreckliche folgt Armstrong.« Vielleicht geht die Liebe sogar so weit, dass Armstrong endlich Erfolg hat, Basso in sein Team zu ziehen, obwohl der 27-jährige Italiener aus Varese immer wieder seine Treue zu seinem Chef Bjarne Riis beteuert: »Bjarne ist mein Entdecker. In den Pyrenäen habe ich voriges Jahr begriffen, wozu ich fähig bin.«
Der mutmaßlich siebenfache Toursieger Armstrong bemüht sich um den CSC-Kapitän schon seit zwei Jahren - hatte aber auch diesmal kein Glück. »Ich habe heute den Vertrag bei CSC bis 2008 verlängert«, erklärte Basso gestern.
Von den Nachfolge-Diskussionen wollte er noch nichts wissen: »Erst einmal will ich diese Tour beenden. Dann mache ich mir darüber vielleicht Gedanken.« Der Sponsor glaubt jedenfalls weiter an Basso (»Ich hatte ein Angebot von Discovery«), Riis und seine Methoden. CSC verlängert sein Engagement bis 2009. Diese Entscheidung bestätigte Riis am zweiten Tour-Ruhetag in Pau.
Bei Jan Ullrich ist von den großen Hoffnungen vor dem Tour-Start ist nicht viel geblieben. Dabei verlief die Vorbereitung anders als in den Vorjahren ohne größere Komplikationen. »Diesmal können wir uns nichts vorwerfen«, sagte Ullrich-Betreuer Rudy Pevenage. Doch auch das intensive Training in Südafrika, auf Mallorca und in der Toscana verhalf nicht zum erträumten Triumph über Armstrong. Für Kritik an dem abermals gescheiterten »Wunderkind« (»L'Ć’quipe«) hat der Belgier jedoch wenig Verständnis: »Jan hat gekämpft bis zum letzten Blutstropfen, das konnte jeder sehen.«

Artikel vom 19.07.2005