27.08.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Tag für Tag
glänzen, nicht
mehr arbeiten

Treckerfreunde pflegen Kulturgut

Von Michael Diekmann
und Carsten Borgmeier (Foto)
Altenhagen (WB). Die Zigarre qualmt, der Dieselmotor schlägt seinen gleichmäßigen Takt. Werner Hartmann schiebt die Mütze in den Nacken und beschleunigt die Maschine. »Trecker fahren ist eine Leidenschaft«, sagt der gelernte Kaufmann im Ruhestand.

Und die teilt er mit nahezu 30 Gleichgesinnten im Bielefelder Osten und im angrenzenden Brönninghausen und Kusenbaum. Sie nennen sich »Treckerfreunde«, aber ihr selbst gesteckter Auftrag geht weiter. Freund und Mitstreiter Hans-Dieter Heidland: »Wir möchten das bäuerliche Kulturgut unserer Väter erhalten und pflegen.« Werner Hartmann wirft sein »blaues Juwel« nur zu ganz besonderen Ausfahrten an. Seit der langjährig selbständige Automobilhändler den Lanz-Volldiesel 1985 gewissermaßen als Baustelle erworben hatte, musste das 1958 gebaute Fahrzeug nicht mehr arbeiten. »So ein Gnadenbrot möchte ich auch haben«, sagen Freunde und Mitstreiter, wenn sie den glänzenden Lanz D2416 bewundern, dem automobile Oldieexperten die Zustandsnote eins verleihen würden: jeden Tag glänzen, aber nicht mehr arbeiten.
Ein Hingucker ist der Lanz nicht nur bei heutigen Museumstreffs und Korsofahrten - das war er schon damals Ende der fünfziger Jahre. »Er war mit 24 PS die richtige Maschine für die mittelbäuerlichen Betriebe«, ergänzt Hartmann. Hydraulische Hebemöglichkeiten waren damals noch teures Sonderzubehör, ebenso wie das voll funktionstüchtige Seitenmähwerk, mit dem Hartmann beim Altenhagener Gemeindefest am 28. August Landwirtschaft von einst zwischen harter Arbeit und ländlicher Romantik neu belebt.
»Ich habe mir gerade einen Anhänger gekauft für den Lanz», berichtet Hartmann, der den Traktor in der Scheune eines Bekannten unterstellt und nur selten mit Ehefrau Margitta zu Ausflügen auf der graublauen Rarität startet. Der Anhänger muss ebenfalls restauriert werden und ist in einem ebenso schlechten Zustand wie der Trecker damals, als Hartmann ihn aus Gesmold am Mittellandkanal holte. Dort hatte die Maschine, die zu den letzten Baureihen von Lanz vor dem Verkauf an die Marke John Deere gehört, jahrelang vor sich hin gerostet. Hartmann: »Jetzt ist sie rostfrei.«
Mindestens so interessant wie das Fachsimpeln mit Treckerfreunden über technische Details ist übrigens die Erforschung der Motivation, woher ihre Vorliebe für ausgerechnet dieses Hobby stammt. Bei Werner Hartmann begann sie schon vor vielen Jahren. Als zehnjähriger Knirps hatte er beim Bauern als Erntehelfer die Ferien verbracht: »Und da fuhren genau diese wunderbaren Traktoren. Sie stehen für deutsches Ingenieurtum und unzählige Patente, für robuste mechanische Vorgänge, auch für die damals neue Mobilität vieler Nebenerwerbler.«

Artikel vom 27.08.2005