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»Hier kann was Gutes wachsen«

Oberligist VfB Fichte zeichnet ein »ursprüngliches Verständnis von Mannschaft« aus


Von Jörg Manthey
Bielefeld (WB). Holger Wortmann nimmt sein Resümee der ersten Arbeitswochen beim Fußball-Oberligisten VfB Fichte vorweg: »Hier kann was Gutes wachsen«. Nun ist es fraglos so, dass Vorbereitung und Meisterschaft zwei Paar Schuhe sind. Deshalb weiß der neue Coach die Lobhudeleien, die von allen Seiten einprasseln (»Super-Training, sehr abwechslungsreich, die Trainer kommen bei der Mannschaft bestens an...«), auch richtig einzuordnen. »Jeder zeigt sich von seiner besten Seite. Keiner möchte anecken, keiner möchte was falsch machen. Aber lass uns mal die Pflichtspiele abwarten. Erst in Drucksituationen wird sich zeigen, wie man wirklich miteinander klarkommt«.
Der sportliche Abstieg vom Assistenten bei Union Berlin (»Der Verein ist eine Religion dort, ähnlich wie in St. Pauli. Beim ersten Training waren 800 voll zahlende Zuschauer da«) auf den Chefsessel beim VfB Fichte - für Wortmann eher ein Aufstieg. Der »wahnsinnige Druck« ist fort. »Hier herrscht eine wunderbare Harmonie. Das dolle Miteinander ist eine der Stärken des Vereins«.
Das Wochenend-Heimtrainingslager (»Es muss nicht immer ein dolles Sporthotel sein«) mit drei intensiven Trainingseinheiten und einem Spiel in Spenge (3:1) unterstrich diese Einschätzung nur. Jeder der Neuzugänge habe die in ihn gesetzten Erwartungen bisher bestätigt. »Man darf nicht vergessen, dass wir einige junge Leute mit Blick auf Perspektive geholt haben. Die sich ins Schaufenster Oberliga stellen und von den älteren Spielern lernen sollen. Deren Zeit kommt vielleicht erst im September oder Oktober«.
Natürlich seien ein Josip Rakic und Rafael Arlet als »Ersatz« für Leeneman und Dayangan feste Größen für die erste Elf. »Wir haben bei den Verpflichtungen aber darauf geachtet, dass wir schieben können«, freut sich Wortmann über reichlich Alternativen. Ein Stürmer Robert Mainka etwa gebe auch als offensiver Mittelfeldspieler hinter den Spitzen einen guten Part ab, Tobias Wiens könne ebenso links offensiv eingesetzt werden.
Co-Trainer Sven Moning hat seinen Wechsel vom DSC Arminia zum kleineren Ortsnachbarn nicht bereut. »Es ist eine interessante Aufgabe hier für einen Coach. Angesichts des höheren Durchschnittsalters eine ganz andere pädagogische Herausforderung«, sagt der Psychologie-Experte und findet: »Es war eine kluge Entscheidung herzukommen«.
Den »hohen Gemeinschaftsprozess«, wie er auf der Rußheide gepflegt wird, hat er so noch nie kennengelernt. »Die Spieler sitzen nach dem Training lange zusammen, Trainer sind dabei kein Stör- oder Hemmfaktor«. So sei es kein Wunder, dass die Fußballer »ein hoher Identifikationsgrad mit dem Verein« auszeichnet. »Die Neuzugänge werden toll aufgenommen. Den Trainern wird auf diese Weise viel abgenommen. Wir können uns auf Leistungssteigerungsprozesse konzentrieren; methodisch-didaktisch ins Detail gehen. Auch eine neue Erfahrung für mich«.
Angesichts einer nicht vorhandenen »mittleren Hierarchie« seien die Entscheidungswege kurz; sponane Aktionen könnten nach kurzer Rücksprache mit der Chefetage unmittelbar umgesetzt werden. Total anders als bei seinem vorigen Arbeitgeber. »Ich behaupte, es ist hier noch einiges Leistungspotenzial herauszukitzeln«, freut sich Sven Moning schon auf »attraktiven Fußball«, der umgesetzt werden soll durch »ein klares Spielsystem«.
Keeper Yorck Bergenthal strahlt leicht ermattet: »Es läuft alles super an«. Angesichts der leidvollen Auftakt-Erfahrung der Vorsaison fügt er freilich hinzu: »Eines darf nicht passieren: Dass wir gegen Rheine mit 0:6 verlieren«.

Artikel vom 18.07.2005