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Bombenterror erreicht
die Touristen-Gebiete

Türkei: wenig Hoffnung auf Lösung des Kurdenkonflikts

Von Ingo Bierschwale
Istanbul (dpa). Als die Kurdische Arbeiterpartei PKK im Sommer 2004 ihre fünfjährige Waffenruhe für beendet erklärte und Touristen und Geschäftsleute vor Reisen in die Türkei warnte, blieb es in den Urlaubsgebieten an der Ägäis- und Mittelmeerküste zunächst ruhig.

Konnte die Explosion einer Splitterbombe im ägäischen Badeort Cesme vor einer Woche noch als Einzelfall angesehen werden, so lässt der zweite Anschlag in kurzer Folge, bei dem wiederum auch ausländische Touristen getroffen wurden, kaum noch Platz für Zweifel. Der Bombenterror, der sich seine Ziele in den vergangenen Wochen hauptsächlich in abgelegenen Gebiete im Osten des Landes suchte, macht nicht länger vor den Urlaubsgebieten Halt.
Die Spirale der Gewalt, der sich die Türkei seit dem Ende des Guerillakrieges kurdischer Extremisten 1984-99 entronnen glaubte, setzt sich nach und nach wieder in Bewegung. Erstmals seit sechs Jahren wieder verschleppten Kämpfer der terroristischen PKK einen türkischen Soldaten, der auf Heimaturlaub seine Eltern am Schwarzen Meer besuchen wollte.
Als am Samstag die Bombe im Urlaubsort Kusadasi explodierte, gingen in der osttürkischen Provinz Tunceli die aus der Luft unterstützten Operationen der türkischen Armee gegen die dort vermuteten Entführer unvermindert weiter. Aus dem äußersten Südosten des Landes berichteten die Sicherheitsbehörden gestern von Gefechten und zehn getöteten PKK-Kämpfern. An der östlichen Schwarzmeerküste, weitab der Kurdengebiete im Südosten, nahmen PKK- Terroristen am Wochenende einen Polizeiposten unter Feuer.
Mit jedem Tag, an dem Züge durch ferngezündete Sprengsätze zum Entgleisen gebracht, Militärfahrzeuge durch explodierende Minen zerfetzt, Militär- und Polizeiposten beschossen werden, scheinen die Hoffnungen auf eine Lösung des Kurdenkonflikts in der Türkei wieder in weite Ferne zu rücken.
Der angebliche Wandel der PKK zu einer gewaltfreien politischen Kraft fand nur auf dem Papier statt. Geändert hat sich allein die Strategie des Terrors, wie die Sprengstoffanschläge der vergangenen Wochen und Monate zeigen.
Während die PKK zu Zeiten ihres Guerillakrieges eine Politik des militärischen Sieges verfolgte, weichen die kurdischen Extremisten nunmehr Gefechten weitgehend aus. Nach Einschätzung türkischer Sicherheitskreise sind Hunderte von PKK-Mitgliedern aus ihren Rückzugsgebieten im Nordirak in die Türkei zurückgekehrt. Im »Gepäck« sollen sie alles in allem eine Tonne Sprengstoff über die Grenze geschmuggelt haben. Polizeibehörden im ganzen Land werden seither vor möglichen Selbstmordattentätern gewarnt. Anfängliche Vermutungen, dieser Fall könnte jetzt in Kusadasi eingetreten sein, bestätigten sich jedoch nicht.

Artikel vom 18.07.2005