18.07.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Rezitieren in der Tiefgarage

Bei der 6. Stadtpassage begegnen sich Kulturen in vielfältiger Weise

Von Burgit Hörttrich
Bielefeld (WB). Oben vom Ostmannturm flogen die Gewürzpäckchen nach unten in (na ja, meist neben) die Schürzen der »Gewürzthaler«, während das Publikum applaudierte. Der Komponist Willem Schulz war einer der »Reiseführer« durch das Ostmannturmviertel - dorthin hatten Schulz, Petra Rühl und Jürgen Heckmanns zur 6. Stadtpassage eingeladen.

Die Stadtpassagen sind ein Projekt der Fakultät Linguistik und Literaturwissenschaft, Abteilung Kunst/Musik der Universität, zeigen in jedem Jahr ein neues Bielefelder Viertel.
Zum Auftakt - verkehrte Welt - stand Willem Schulz auf dem Balkon und ließ sich von Annika Lange mit Flötenspiel umgaukeln. Klar, dass er ihr zum Schluss auch eine rote Rose zu Füßen warf. Das gehört eben zu einer richtigen Balkonszene. . .
In drei Touren bewegten sich die Gruppen über einen stillgelegten Bolzplatz, hörten Cellospiel auf der Kinderrutsche, nahmen den Weg durch die Tiefgarage und erlebten Wäscheleinenkultur: Hinter rot gefärbten Betttüchern verbargen sich Studenten aus Frankreich, Afrika, der Türkei, Polen, Schweden, Jamaica und China und boten einen kleinen Ausschnitt ihrer lokalen Kultur. »Hier vermischen sich die Farben zum Tag,« sangen Frauke Klusmeier und Anne Krause, während sie sich bunt anmalten. In einem Innenhof gab es Requisiten und Tanz wie aus Tausendundeinernacht, in einem anderen ein Liegestuhl-Konzert, es wurde um den Ball getanzt - buchstäblich und im Fußballspiel, sogar ein Baum spielte auf dem Saxophon - er war der neunte Baum, der sich den acht Echten auf dem Platz vor dem Ostmannturm zugesellte. Wer auf den Beginn »seiner« Tour warten musste, schaute sich die Doppelausstellung von Luise Krolzik (»Weiß-Grün, Rot-Schwarz«) und Friedrich Wilhelm Röder (»Das Ostmannviertel«) an. Die Anwohner betrachteten das Spektakel von ihren Balkonen aus, viele von ihnen beteiligten sich aber aktiv am Programm, hatten eigene Ideen eingebracht, die sie gemeinsam mit den Studierenden umsetzten. Jürgen Heckmanns ist die Einbeziehung der Nachbarn in das Projekt das Wichtigste: »Das ist hier gut gelungen.« Wichtig ist den Organisatoren auch, Stadtviertel nach außen zu öffnen. Heckmanns: »Hier, zwischen August-Bebel- und Herforder Straße hat sich eine Art grüne Wohnoase entwickelt.«
Und zum Schluss wurde gefeiert: mit den Akteuren, den Anwohnern und den Gästen.

Artikel vom 18.07.2005