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Bundeswehr im Inland einsetzen

Merkel strebt Grundgesetzänderung an - CDU-Vorsitzende im Kosovo

Von Kristina Dunz
Berlin/Prizren (dpa). Damenbesuch aus Deutschland ist für die im Kosovo stationierten Bundeswehrsoldaten generell ungewöhnlich. Und von der Polit-Prominenz kommen üblicherweise Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) oder die sicherheitspolitischen Experten des Bundestags.

Am Freitag aber betrat Unionskanzlerkandidatin Angela Merkel (CDU) das Feldlager in Prizren inmitten der südserbischen Unruheprovinz. Vor ihrer Reise machte sie erneut klar, dass sie im Falle ihres Sieges bei der angestrebten Bundestagswahl im Herbst die Bundeswehr an neuen Orten sieht - allerdings nicht im Ausland, sondern im Inland.
Dort birgt das politischen Sprengstoff. Bundeswehrverbandschef Oberst Bernhard Gertz spricht von »Wahlkampfgetöse«. Bei der Bundeswehr herrsche schon jetzt Geldmangel. Zusätzliche Aufgaben seien nicht zu finanzieren. Vor allem aber: Für einen Einsatz der Armee im Inneren - etwa zum Objektschutz während der Fußballweltmeisterschaft 2006 - müsste das Grundgesetz geändert werden, was nur mit Zweidrittelmehrheit möglich ist. SPD und Grüne sind entschieden dagegen. Und die FDP als möglicher Koalitionspartner von CDU und CSU sagt ebenfalls »ganz klar Nein«.
Merkel sagte indessen der »Passauer Neuen Presse«: »Wir müssen durch eine Grundgesetzänderung endlich den Weg frei machen für den Einsatz der Bundeswehr im Innern zur Terrorabwehr.« Innenminister Otto Schily (SPD) werde von den Grünen gebremst und an wirksameren Anti-Terror-Maßnahmen gehindert. »Warum sollen Bundeswehrsoldaten in akuten Gefahrenfällen nicht sensible Objekte bewachen dürfen?« fragte die CDU-Vorsitzende. Für Schily ist die Antwort simpel: Weil Soldaten dafür keinesfalls so gut ausgebildet sind wie Polizisten.
Schilys Sprecher Rainer Lingenthal nannte Merkels Äußerungen eine »Mischung aus Polemik und profunder Unkenntnis«. Er wies zurück, dass sein Minister auf Druck der Grünen handelte. »Das ist absolut falsch«. Es gebe klare fachliche Gründe dagegen. Für Merkel ist es aber »widersprüchlich«, dass die Bundeswehr zur Terrorabwehr im Ausland eingesetzt werde, im Inland jedoch nicht helfen dürfe.
In der Bundeswehr mag man an hoher Stelle diesen Widerspruch nicht erkennen. So betonte der stellvertretende Generalinspekteur Hans-Heinrich Dieter jüngst, dass Hilfe der Bundeswehr im Inneren bereits jetzt nach dem Grundgesetz im Katastrophenfall - wie bei der Flut in Ostdeutschland vor drei Jahren - oder bei einem besonders schweren Unglücksfall möglich sei.
Zudem gebe es ein Konzept für die zivil-militärische Zusammenarbeit im Inland, wonach 16 spezialisierte Bataillone für Pionieraufgaben, Sanitätsdienst beziehungsweise die Abwehr von atomaren, biologischen oder chemischen Kampfstoffen aufgestellt werden. Auch bei der Fußballweltmeisterschaft werde die Bundeswehr die Sicherheitsbehörden unterstützen, indem sie etwa ihre Führungszentralen zur Verfügung stelle oder bei der Logistik helfe.
Merkel findet jedoch im angelaufenen Wahlkampf: Rot-Grün blockiere aus ideologischen Gründen und auf Kosten der Sicherheit. Und Lingenthal betont für die Innenbehörden: »Wir sind dafür zuständig, die innere Sicherheit zu gewährleisten.« Wenn die Länder (die mit großer Mehrheit von der Union regiert werden) mehr Kräfte bräuchten, sollten sie sich nicht an der Bundeswehr »bereichern«. Die Bundeswehr leiste ihre Sicherheitsarbeit im Ausland. Wie im Kosovo.

Artikel vom 16.07.2005