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Traumauto mit
Starrachse und
vier Zylindern

Ford-Treffen vereint Generationen

Von Michael Diekmann
und Carsten Borgmeier (Fotos)
Heepen (WB). Der Vierzylinder klingt blechern wie eine Schüssel Schrauben. »Das ist der typische Klang für einen V-Motor der Sechziger Jahre«, unterstreicht Besitzer Michael Halt (41) auf dem Fahrersitz des wunderschönen Ford. Der rote 12m mit Frontantrieb war nicht nur 1969 ein Hingucker. Beim Ford-Treffen in Bielefeld gehörte er zu den echten Schönheiten.

Die Farbe »Rot 65« ist Original, die Kokosmatten im Fußraum sind es auch. Und für Halts Sohn Felix (3) ist es das Größte, im Fußraum vor dem Beifahrersitz stehend die Bedienung des Autos genau zu beobachten, der Lenkradschaltung und der ulkigen Handbremse. Insgesamt 200 Autos zählten die Veranstalter des inzwischen fünften Ford-Treffens auf dem Gelände am Leineweberring, allen voran Andreas Nixdorf. Der konnte mit Moderator und Mitveranstalter Ralf Mauermann nicht nur den Pokal für die weiteste Anreise an ein Paar aus Österreich vergeben, die im Taununs 900 Kilometer von der ungarischen Grenze zurücklegten, um am Teuto dabei zu sein.
Auch für Marc Tischler (37) hatte sich die Anfahrt gelohnt. Der Werkzeugmacher kam mit seinem silberfarbenen »Ford Osi«. Der langgestreckte Sportwagen baut auf Großserientechnik des guten alten 20m - hört man, wenn der Motor gestartet wird. Der 2,3-Liter mit 108 PS schnurrt wie die Biene, das Blechkleid hat Tischler bis 2004 Stück für Stück restauriert. Das Innenleben mit feinem Holz und rotem Leder versprüht italienischen Charme. Die Veranstalter belohnten den Auftritt der Rarität (nur noch 250 Autos weltweit) mit dem Pokal für das schönste Auto der Schau.
Die Familie der Ford-Fans 2005 ist so vielfältig wie die Modellpalette der Sechziger- und Siebzigerjahre. Und genau dieser gilt die Aufmerksamkeit der meisten Mitglieder in der Szene. Für Leute, die in den Siebzigerjahren ihre Karriere als Autofahrer begannen, womöglich noch in einem Ford, ist ein Besuch des Treffens ein Festtag. Wiedersehen mit so genannten »Brot- und Butterautos« der Sechziger und Siebziger, der Capris und Escorts, der Granadas und Consuls, der säuselnden Sechszylinder, die einst zum guten Ton unter der Haube gehörten und heute Gänsehaut erzeugen.
Nach dem Wiederhören mit den geliebten Motorgeräuschen folgt das Wiedersehen: Mit ausladenden Chromgrills, mit den begehrten Zusatzscheinwerfern, mit einst beliebten Farben wie dem rassigen Daytonagelb, in dem stinknormale Taunus-se zu Volkssportlern des kleinen Mannes wurden und in Zeiten der Ölkrise für reichlich Überholimage sorgten. Da war man mit 1,6 Litern und 73 PS flott unterwegs - natürlich mit Starrachse und Blattfedern. Technisch nicht besoonders anspusvoll, aber eben »unkaputtbar«. Veranstalter Nixdorf freut sich denn auch um so mehr, dass immer neue Interesentenin der Szene auftauchen, aber auch immer neue alte Fords, die in Garagen oder Scheunen offensichtlich Jahrzehnte verschlafen haben und jetzt statt im Chrom stehen.
Aus ganz Deutschland sind die Teilnehmer gekommen, einige haben seit Freitag im Zelt campiert, andere stilecht in der Variante Eriba-Puck auf ganzen 2,40 Metern Länge. Ein hellblauer Ford Kleinbulli aus den Fünfzigern sorgt nicht nur akustisch für neidische Blicke. Mit »dickem Motor« und gemütlicher Einrichtung holt sich auch dieser Exot einen Pokal.
Die Ford-Szene ist bei dem Treffen nicht unter sich. Viele Bielefelder schauen vorbei. Oldtimer-Freunde in der Restaurierungsphase suchen nach Ersatzteilen. Selbst die Originalschriftzüge von einst lassen die Herzen höher schlagen. Und viele Gäste können Episoden aus eigener »Erfahrung« beitragen. Schließlich waren Fords der Siebziger so genannte »Million-Seller«, Arbeitstiere, Dauerläufer und genügsame Weggefährten, gleichsam Statutssymbol der breiten Bevölkerung, Hingucker in der Siedlung und Mobilitätsgarantie für den Camping-Urlaub an der Adria.
Ach ja, was die Szene ganz besonders menschlich macht, ist natürlich der Trostpreis für Olaf Schöne. Der junge Bergheimer hatte nicht das schönste, wohl aber das unattraktivste Auto mit gespachteltem Kotflügel und grundierter Haube - Folgen eines Winterunfalls. Den Weg nach Heepen hatte der Taunus-Fan mit seinem 1.6 nicht wegen der Schönheitskonkurrenz gemacht: »Ich brauche dringend Ersatzteile...«

Artikel vom 20.07.2005