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Vorzeitig aus
Haft entlassen

Julia Bohl aus Singapur abgeschoben

Singapur (dpa). Nach mehr als drei Jahren Haft in Singapur wegen Drogendelikten ist die Deutsche Julia Bohl am Freitag vorzeitig freigelassen worden.
Wolfgang und Susanne Bohl konnten gestern ihre Tochter wieder in die Arme schließen.

Die 26-Jährige sollte nach Angaben der Deutschen Botschaft in Singapur noch im Laufe des Tages abgeschoben werden. Julia Bohl hatte nach ihrer Verhaftung im Frühjahr 2002 zunächst die Todesstrafe gedroht. Später verurteilte sie ein Gericht allerdings nur zu fünf Jahren Gefängnis. Wegen guter Führung wurde ihr nun ein Drittel der Strafe erlassen. Der Fall hatte damals in Deutschland eine Welle der Empörung ausgelöst.
Der jungen Frau hatte zunächst der Galgen gedroht, weil in einer von ihr gemieteten Wohnung mehr als 687 Gramm Cannabis gefunden worden waren. Von einer Menge von 500 Gramm an ist in dem asiatischen Stadtstaat die Todesstrafe zwingend vorgeschrieben. Eine Laboranalyse ergab aber nur einen Gehalt von 280 Gramm reinen Rauschgifts. Strafmildernd hatte sich überdies ausgewirkt, dass sie sich während des Prozesses schuldig bekannte, in ihrer Wohnung Drogenhandel gestattet, das Halluzinationen auslösende Narkotikum Ketamin konsumiert und eine Marihuana-Mischung besessen zu haben. Auch die Aussage gegen einen Mitangeklagten wurde ihr angerechnet.
Nach ihrer Freilassung traf sie dem Vernehmen nach zum ersten Mal seit der Verhaftung wieder direkt ihre Eltern. Vater und Mutter waren für den Tag der Haftentlassung nach Singapur gereist. Danach wollte Julia Bohl nach Deutschland oder in ein anderes europäisches Land fliegen, hieß es.
Nach der Entlassung aus dem Changi-Frauengefängnis wurde Julia Bohl zunächst den Einwanderungsbehörden Singapurs übergeben. Danach begrüßte sie ihre Eltern.
Julia Bohl hat in der Haft ein Fernstudium der Wirtschaftswissenschaften begonnen, das sie nun abschließen will. Den Angaben ihres Anwalts zufolge gewann die junge Frau im Gefängnis sehr an Reife und hat ihre damaligen Fehler eingesehen. »Sie hatte das falsche Umfeld zur falschen Zeit. Ich glaube, sie hat ihre Lektion gelernt, und ich glaube, dass mit ihr alles gut wird«, sagte er.
Die junge Frau war in Singapur aufgewachsen und hatte ihr Abitur an der Deutschen Schule in dem Stadtstaat abgelegt. Obwohl die Eltern die Tropeninsel bereits verlassen hatten, blieb sie dort und machte eine Lehre.

Artikel vom 16.07.2005