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Leitartikel
Raumfähren-Pannen

Ein Debakel
für den Ruf
der NASA


Von Wolfgang Schäffer
Auch wenn die NASA Gelassenheit zur Schau stellt: Die Startverschiebung für die Raumfähre »Discovery« ist ein herber Rückschlag. Für das Shuttle-Programm, für die Internationale Raumstation (ISS), für die US-Weltraumbehörde und für das Vertrauen in Amerikas Technik-Qualitäten schlechthin.
Zweieinhalb Jahre ist es her, dass die Raumfähre »Columbia« beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre auseinanderbrach. Die sieben Astronauten hatten nicht den Hauch einer Chance, die Katastrophe zu überleben. Grund für das Unglück waren damals beim Start beschädigte Hitzeschutzkacheln. Fast eine Milliarde Euro hat die NASA seither investiert, um die Raumgleiter zu verbessern und ein neues Debakel so weit wie möglich auszuschließen.
Doch trotz aller Investitionen gab es immer wieder Rückschläge. Ein zunächst für Mai geplanter Start wurde zwei Mal wegen technischer Mängel verschoben. Jetzt das erneute Debakel. Auf eine Beschädigung des Shuttle am Heck folgten ein defekter Lüfter und schließlich der Ausfall des Treibstoffsensors. Und das, obwohl alle Beteiligten wussten, dass es auch um den ohnehin angekratzten Ruf der NASA ging.
Dass die Weltraumbehörde die Notbremse zog, ist mehr als verständlich. Zu groß das Risiko, erneut das Leben von sieben Astronauten aufs Spiel zu setzen. Wenn die russische Raumfahrtagentur Roskomos den Startabbruch als übertriebene Vorsichtsmaßnahme bezeichnet, ist das vor allem auch vor dem Hintergrund der ISS zu sehen. Ohne Unterstützung der NASA kann Roskosmos die ISS weder fertigstellen noch betreiben.
Sollten die USA ihr Shuttle-Programm noch weiter einschränken - statt 24 sind bis 2010 ohnehin nur noch 16 Flüge geplant -, steht das komplette ISS-Projekt auf der Kippe. Milliarden wären dann ohne jeden Nutzen in den dunklen Tiefen des Alls versenkt worden.
Ohnehin werden immer mehr Stimmen von Experten laut, die den Sinn der ISS in Frage stellen. Die europäischen Partner der Station singen in diesem Chor jedoch nicht mit. Auch sie haben viel investiert. Beispielsweise das EADS Space in Bremen. Das dort gebaute Weltraumlabor wartet bereits seit einiger Zeit auf den Einsatz in der ISS.
Jede neue Verzögerung der Shuttle-Flüge sorgt für einen weiteren Vertrauensverlust in die Kompetenz der USA. Sollte Amerika zudem tatsächlich - wie angekündigt - das Engagement für die Station zurückfahren oder gar einstellen, riskiert die Großmacht, in der Weltraumforschung den Anschluss zu verpassen.
Diese Gefahr droht ohnehin, wenn die jetzt zum Einsatz kommenden Raumfähren aus dem Verkehr gezogen werden. Spätestens 2010 wird das sein. Bis zum Start der neuen Generation sollen dann nach derzeitiger Planung vier Jahre vergehen. Diese Zeitspanne könnte aber - wie das technische Unvermögen derzeit zeigt - deutlich länger werden.

Artikel vom 16.07.2005