15.07.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Karolinger-Dorf beim Neubau
einer Schnellstraße entdeckt

Archäologen legen mittelalterliche Siedlung in Büren frei

Büren (WB). 200 Jahre älter als erwartet ist die Siedlung Schattenhusen, die Archäologen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) bei Büren (Kreis Paderborn) untersucht haben. Die Ausgrabung hat nach Angaben des LWL ergeben, dass der Ort bereits im achten Jahrhundert um 750 n. Chr. gegründet wurde.

500 Jahre später sei er aufgegeben worden. Ein 20 Meter breites und 700 Meter langes Areal haben die Archäologen seit April am Alten Hellweg bei Büren untersucht.
Zum Vorschein seien mehr als ein Dutzend Gruben, Pfostenlöcher von Häusern, ein Grubenhaus und mehr als 1000 Keramikscherben gekommen, teilte der LWL mit. Nach einer ersten Überprüfung dieser Funde sei bereits klar, dass bisherige Annahmen zum Alter von Schattenhusen durch die Ausgrabung korrigiert werden müssen. »Die Menschen waren an diesem Ort viel früher als vermutet«, sagte LWL-Grabungsleiterin Dr. Sveva Gai. »Die Keramikfunde weisen auf eine Gründung der Siedlung Schattenhusen in der Karolingerzeit im 8. Jahrhundert hin - und nicht erst im 10. Jahrhundert, wie man bisher aufgrund der Funde angenommen hat, die bei Feldbegehungen gesammelt worden sind.«
Das mittelalterliche Schattenhusen war ein Weiler mit kaum mehr als fünf Höfen. Die Forscher entdeckten Reste aus mehreren Phasen der 500-jährigen Geschichte der Siedlung. Aus den Gründungsjahren um etwa 750 n. Chr. konnten sie eine mehr als zwei Meter große Grube ausgraben, in der sich sogar Spuren einer Holzverschalung erhalten haben. Vermutlich handelt es sich um eine Vorratsgrube mit hölzernen Wandverkleidungen.
Aus dem 12. Jahrhundert stammt ein Hausgrundriss, der die besondere Aufmerksamkeit der Archäologen erregte, weil er ein seltenes Konstruktionsmerkmal enthielt: Das Haus hatte einen bis zu einem Meter in den Felsen eingelassenen Keller, der an seiner Westseite eine sorgfältig gesetzte Mauer aufwies. Womöglich umfasste die Mauer aus Kalksteinbrocken und Lehm den gesamten Keller - diese Untersuchung ist noch nicht abgeschlossen.
Das Ende des Ortes kam mit den Fehden zwischen den Bistümern Paderborn und Köln im Laufe des 13. Jahrhunderts: Die Menschen verließen die zerstreuten Siedlungen und suchten Schutz in den befestigten Städten. Die verlasse-nen Siedlungen wurden zu so genannten Wüstungen.
Eine ganze Reihe solcher verlassener Wüstungen in der Hellwegregion und auf der Paderborner Hochfläche kennen die Archäologen inzwischen.
»Archäologische Untersuchungen bieten dabei die besten Möglichkeiten, mehr über Dauer und Struktur einer solchen Siedlung und ihr Verhältnis zu anderen Siedlungsplätzen zu erfahren«, erläuterte Dr. Daniel Bérenger, Leiter der Bielefelder Außenstelle des Westfälischen Museums für Archäologie, die Bedeutung der Ausgrabung. »Denn das Bild, das sich durch Ausgrabung gewinnen lässt, ist echter, individueller und vielfältiger als das, was Urkunden liefern können.«
Schattenhusen ist im regionalen Siedlungsgefüge noch aus einem anderen Grund interessant: Die Siedlung liegt in einem recht trockenen Gebiet auf Karst. Noch ist den Archäologen unklar, warum die Siedlung überhaupt an dieser Stelle gegründet wurde. Normalerweise ließen sich die Leute im Mittelalter an Bächen oder Flüssen nieder.
Die Ausgrabung ist notwendig geworden, weil an dieser Stelle der Autobahnzubringer von der Anschluss-Stelle Büren zum Flughafen Paderborn/Lippstadt ausgebaut wird. »Immer wieder stehen wir vor dem Konflikt, Neues schaffen zu wollen ohne dabei gleichzeitig Altes zerstören zu müssen. Im Fall Schattenhusen konnte der Konflikt durch das schnelle und engagierte Reagieren des Landschaftsverbandes gut und erfolgreich gelöst werden. Schon heute zeigt sich, dass durch die Ausgrabungen neue Erkenntnisse über die Siedlung Schattenhusen gewonnen worden sind«, sagte Manfred Müller, Landrat des Kreises Paderborn.
Bis zum 20. August haben die Archäologen noch Zeit, alles ordnungsgemäß zu dokumentieren, bis die Fläche unter der neu angelegten Straße verschwinden wird.

Artikel vom 15.07.2005