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Sonnige Töne und sanfte Klänge

Mischen, bitte: Toskana-Farben an deutschen Wänden, Vivaldi fürs Gemüt

Farbige Wände bringen Leben ins Haus. Das wussten schon die Monarchen im 17. und 18. Jahrhundert, in deren Schlössern farbige Räume üblich waren. Der rote Salon mit Goldverzierungen war für die Regierungsgeschäfte da, der grüne für geistreiche Gespräche und im gelben Salon bereitete man sich auf das Essen vor.

»Damals waren die Räume schon farbpsychologisch zugeordnet«, sagt Harald Braem aus dem rheinland-pfälzischen Bettendorf. Lange hat es gedauert, bis die Mode von einst wieder aufgegriffen wurde. »Seit ein bis zwei Jahren sind farbige Wände wieder im Trend«, so der Farbpsychologe.
Jede Farbe, weiß der Experte, habe ihre ganz spezielle Wirkung. Deshalb sollten sich vor allem nicht ganz stilsichere Menschen vor dem Streichen ihrer eigenen vier Wände Tipps von einem versierten Wohnberater holen. Er könne genau sagen, welche Farbe zur jeweiligen Einrichtung passe und wie die Wände gestaltet werden sollten. »Wohnberater gebe es reichlich«, hat Braem beobachtet. Meist sei der Rat dieser Fachleute gar nicht so teuer, wie allgemein befürchtet, bewirke aber in punkto Farbkombination und -auswahl durchaus kleine Wunder. Mit wichtigen Empfehlungen ausgerüstet, könne man dann, so denn handwerkliches Geschick vorhanden sei, auch das Anstreichen selbst übernehmen, sagt der Farb-Experte.
Der mediterrane Look ist Braem zufolge derzeit an deutschen Wänden besonders angesagt. »Das haben viele in italienischen Restaurants oder im Urlaub zum ersten Mal gesehen und wollten dieses Design dann auch zu Hause haben«, berichtet er. Meist seien die Terrakotta- oder warmen Orangetöne mit der Schwammtechnik auf die Wände aufgetupft worden.
»Ein bisschen südliches Flair können wir hier in Deutschland ganz gut gebrauchen«, meint Braem. Oft sei es das Wohnzimmer oder speziell der Essbereich, wo die so genannten Toskana-Farben wie etwa Umbra, Aubergine oder Pistazie leuchten.
Fürs Kinderzimmer empfiehlt der Fachmann ein sonniges Gelb, das kleine Rangen beruhige und gleichzeitig ein gutes Gefühl beim Nachwuchs bewirke.
Ein nicht allzu dunkles, zeitloses Blau eigne sich gut für die Schlafzimmer-, und Küchenwände, da es eine beruhigende Ausstrahlung habe. Introvertierte Menschen brauchen seiner Ansicht nach ihre Ruhe und sollten deshalb auf Blautöne zurückgreifen. Anregendes Rot sei dagegen eher etwas für extrovertierte Typen. »Rot ist eine aktivierende Farbe«, erklärt er.
Manager wissen schon lange, dass für die Geistesarbeit ein zartes Lindgrün am besten ist. Wer diese Farbe, die für Wachstum stehe, an den Wänden seines Arbeitszimmers habe, könne garantiert gut arbeiten, sagt Braem. »Der Renner dazu ist ÝsanfteÜ Musik von Vivaldi, Bach oder Telemann. Leise gestellt, ist sie eine ideale Voraussetzung für die Arbeit am Schreibtisch«, berichtet der Farbpsychologe.
Weiße Wände sind aber dennoch nicht völlig »out«. Wenn viele Möbel im Zimmer stehen und zahlreiche Bilder an der Wand hängen, ist die Allround-Farbe nach Ansicht Braems sogar die bessere Alternative zu farbigen Wänden. Er empfiehlt jedoch ein abgetöntes Weiß, weil dies nicht so grell wirke. Auch in den Büros oder Arbeitszimmern »sehr aktiver Menschen« aus dem Werbe- oder Marketingbereich fänden sich häufig weiße Wände, da diese mit Texten, Skizzen und Ähnlichem »bepflastert« seien.
Mit Farben ist das allerdings so eine Sache. So viele es davon gibt, so viele unterschiedliche Geschmacksrichtungen gibt es auch. »Ich will den Leuten nichts aufdrängen«, sagt Braem. Einige Farben seien aber trotz aller Geschmacksunterschiede ein Tabu in jeder Wohnung. »Dunkle Farben, vor allem Schwarz, sind etwas für Grufties«, stellt der Experte klar. Auch violett gestrichene Wände finde man nur ab und an in Zimmern ganz junger Mädchen.
Einen Tipp hat der Fachmann für Menschen, die zu Hause mit wenig Aufwand eine freundlichere Atmosphäre schaffen wollen: Wer die Oberlichter seiner Fenster in sonniges Gelb taucht oder diese mit gelber Folie beklebt, kann sich sogar im Winter den Frühling ins Haus holen.
Übrigens: Starke Kontraste sind Vergangenheit, gefragt ist ein harmonisches, stimmungsvolles Gesamtbild mit assoziativen Akzenten. Sehr edel wirken sanfte Töne wie Rosarot und Rosé in Kombination mit erdigen und weichen Farben wie Bordeaux, Beige, Creme und Braun. Muster wie Streifen, Karos oder florale Elemente, die mit Hilfe verschiedener Techniken auf die Wandflächen aufgetragen werden, haben »Gemäldecharakter«. Interessant ist alles, was vielschichtig und fein-schillernd glänzt, mehrfarbig oder mit Silber-, Gold- und Perlmutschimmer. Mit dieser Art Wände zu gestalten, sollte allerdings der gelernte Maler und Lackierer beauftragt werden.

Artikel vom 22.07.2005