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Marke »Oldtimer« ist
kein Privileg für Millionäre

Markt ist gut organisiert - Händler gibt es in fast jeder Großstadt

Der Hammer des Auktionators fiel bei über zwei Millionen Euro. Der ehemalige Besitzer konnte sein Glück kaum fassen. Den versteigerten Maserati Birdcage Tipo 60 hatte er für wenige 1000 Mark in den 1960er-Jahren als ausrangierten Rennsportwagen erstanden.

Klingt wie ein Märchen aus vergangenen Tagen. »Ist es aber keineswegs«, weiß Jochen Strauch, Geschäftsführer von Classic Data, einem Unternehmen, das seit knapp 20 Jahren die Wertentwicklung von Oldtimern aufzeichnet. »Solch horrende Summen werden durchaus derzeit wieder für edle Karossen ausgegeben.« In Zeiten bröckelnder Börsenkurse und schwacher Konjunktur greifen Anleger gerne wieder auf Sachwerte zurück - und damit auch auf Oldtimer.
Eine Wertanlage mit Spaßfaktor. »Das Geld ist gut angelegt, weil es immer einen sicheren Pool von Käufern gibt«, sagt Strauch. Renditen von über sieben Prozent seien die Regel, bei besonderen Raritäten auch wesentlich mehr.
Im Übrigen könne man den Kauf eines Oldtimers nicht mit einer üblichen Geldanlage vergleichen. »Oder sind Sie schon mal mit einer Lebensversicherung um den Block gefahren?«, meint Strauch scherzend. Und fügt ernsthaft hinzu: »Es gibt keinen Veteranen, der preiswerter geworden ist. Die Marke ÝOldtimerÜ inklusive Versicherungen, Handel, Ersatzteile oder Rennen macht einen Umsatz von sechs Milliarden Euro im Jahr.« So wird aus Tradition ein blühendes Geschäft.
Aber auch von Spekulanten blieb die internationale Oldtimer-Szene nicht verschont: Es war der Tag, als Enzo Ferrari starb und die fahrbare Aktie erfunden wurde. Es passierte am 14. August 1988. Sein Ferrari F40 hatte an jenem Tag einen Listenpreis von 444 000 Mark. Der Preis schoss in die Höhe. Nach einigen Wochen zahlten Ferrari-Fans 2,3 Millionen Mark für das Modell. Im Sog folgten die anderen italienischen Marken. Und sodann die Klassiker. Ein Mercedes 300 SL, der 1988 noch 350 000 Mark kostete, brachte es ein Jahr später auf 1,2 Millionen Mark.
Die Preise für die Exoten unter den Klassikern zogen sogar bis auf das Vierfache des normalen Preises an. Spekulanten witterten den großen Reibach. Sie kauften in den USA zu fallendem Dollar-Kurs preisgünstig europäische Marken en masse. So wurden mit einem Schlag 1500 Jaguar E-Type in Europa angeboten. Dieses Spektakel hielt etwas über ein Jahr.
Eine Auktion im Oktober dämpfte bereits die Stimmung und bei einer Christie's-Auktion in Monaco am 11. November 1989 gab es erste Preisabstriche. Die Szene war verunsichert. Es bestand ein absolutes Überangebot an Fahrzeugen. Folge: Die Preise brachen ein. Viele Spekulanten blieben auf ihren teilweise für mehrere hunderttausend Mark restaurierten Objekten sitzen. Der Vorteil dieser turbulenten Zeit: Der Markt ist jetzt gut organisiert, Händler gibt es in fast jeder Großstadt, und das Preisniveau hat sich stabilisiert.
Inzwischen wächst der Oldtimer-Markt wieder, der Youngtimer-Markt boomt sogar. So einfach lässt sich die Statistik 2004 zusammenfassen. In Deutschland steht »Oldtimer« heute als Synonym für alle Fahrzeuge, die die vom Gesetzgeber für die Vergabe eines historischen (H-) Kennzeichens gestellten Bedingungen erfüllen. Ihre Erstzulassung muss mindestens 30 Jahre zurückliegen.
Für das Jahr 2005 bedeutet dies, dass beispielsweise ein Audi 80, Baujahr 1975, zum »Oldtimer« geworden ist. Aber auch die letzten Jaguar E-Type V12 wurden nun in diesen Adelsstand erhoben. Die Zahl der mit H-Kennzeichen zugelassenen Fahrzeuge kletterte bis zum Dezember 2003 auf nahezu 119 000 und übertraf damit die Notierung von 2002 um fast 19 000 Autos.
Auch steuerliche Erwägungen sprechen für mobile Antiquitäten: Gerade mal 191 Euro im Jahr werden für Fahrzeuge mit H-Kennzeichen fällig. Noch ein Zahlenspiel: In der Silvesternacht 2002 wuchs auf einen Schlag die Zahl der über 30 Jahre alten Autos um 24 000 Fahrzeuge - das sind mehr als 1988 in dieser Klasse insgesamt zugelassen waren. »Der Markt war bis Mitte der 90er stagnierend und ist seit Ende der 90er-Jahre wieder kräftig im Aufwind«, sagt Hans-Jörg Götzl, Redakteur beim Oldtimermagazin ÝMotor KlassikÜ. »Man muss bereit sein, etwas zu investieren, um Renditen einzufahren. Aber ein Ford Granada beispielsweise wird kaum wertvoller als 10 000 Euro. Zwischen 5000 und 10 000 Euro bekommt man keinen Oldtimer, von dem man sagen könnte, dieser Kauf sichert meine Rente.« Es werden aber immer wieder Millionen gezahlt. Sensationell war der bisher höchste Preis für ein altes Auto: neun Millionen Euro wurden auf einer Auktion für einen Ferrari 250 GTO von 1963 gezahlt.
Lars Riemenschneider vom Auktionskontor Hamburg erklärt: »Alles, was rar ist, ist begehrt und bringt Geld - also auch bestimmte Automarken wie Rolls Royce, BMW, Porsche oder Mercedes.« Der Spezialist für Oldtimer nennt aber im gleichen Atemzug konkrete Beispiele für »perfekte Geldanlagen«, die überschaubar sind:
Ein Porsche 911 Turbo, Baujahr 89, 50 000 Kilometer auf dem Tacho für 40 000 Euro, ist laut Riemenschneider bereits in ein oder zwei Jahren über 70 000 Euro wert. Oder: Ferrari Dino 246 GT, Wert heute: 85 000 Euro, vor zehn Jahren: 40 000 bis 50 000 Mark; Mercedes 300 (Adenauer-Mercedes), Wert heute: 50 000 bis 65 000 Euro, vor fünf Jahren: 50 000 bis 65 000 Mark; Mercedes 300 SL, Wert heute: 320 000 Euro; 600er Mercedes für 40 000 Euro, steigt kontinuierlich, weil es immer weniger gibt; Porsche 356 Speedster, Baujahr Ende 50, war zum Preis von 13 300 Mark zu kaufen, er wird heute nicht unter 96 000 Euro gehandelt. Sein Preis steigt ebenfalls beständig.
Wer mit der Anschaffung eines Vehikels aus vergangenen Zeiten liebäugelt, sollte den Kauf sorgfältig planen und auf dem Weg zur rollenden Rendite einige Grundregeln beachten. Auch wenn sie häufig glänzen, es bleiben alte Autos. Versteckte Mängel, Unfallschäden oder unsachgemäße Restaurierung sind keine Seltenheit. Darüber hinaus tummeln sich in diesem lukrativen Marktsegment Fälschungen, die in amerikanischen und osteuropäischen Garagen zusammengebastelt wurden und an denen sich nicht eine Originalschraube befindet.
Oldtimer-Experte Strauch warnt deshalb vor übereilten Käufen: »Wer so viel Geld ausgeben will, sollte sich nie zum Kauf drängen lassen. Es gibt immer ein Angebot. Information ist das A und O. Mit Fachleuten reden oder Auktionen besuchen - das sind wichtige Punkte.«
Außerdem: Fachzeitschriften studieren und Kontakt zu Oldtimerclubs suchen. Dort findet der Interessent Gleichgesinnte und kann schon mal sein Objekt der Begierde in Augenschein nehmen. So bekommt der potenzielle Oldtimer-Käufer langsam ein Gespür für die Marktsituation und für die Besonderheiten der Geldanlage auf vier Rädern.
Unter »www.oldtimer-info.de« verbirgt sich der mit Abstand größte Auftritt im Internet, den es im deutschsprachigen Raum zum Thema gibt und der monatlich von 180 000 Fans angeklickt wird. Nicht ohne Grund, denn alles, was man sich woanders mühsam suchen muss, gibt es hier in kompakter Form: aktuelle Nachrichten, Berichte über Treffen, Messen und Auktionen sowie einen umfassenden Terminkalender.

Artikel vom 22.07.2005