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Leitartikel
Stieglers neue Entgleisung

Rückfalltäter
ohne Aussicht
auf Besserung


Von Dirk Schröder
SPD-Vize-Fraktionschef Ludwig Stiegler hat sich für seinen unentschuldbaren Nazi-Vergleich mit einer »Fehlschaltung im Gedankenblitz« entschuldigt - und damit ist der Fall erledigt. Für ihn, aber auch für die Spitzen der Sozialdemokraten.
Das kann doch wohl nicht wahr sein, dass dieser politische Brandstifter mit der Duldung der Genossen im bevorstehenden Wahlkampf seine plumpe Hetze fortsetzen kann. Schnell wird daran erinnert, Stiegler sei ein Bayer und die liebten nun einmal die deftige Wortwahl. Dagegen ist grundsätzlich wenig zu sagen. Auf diese Art und Weise kann dem häufig langweiligen Wahlkampf zuweilen etwas Würze verliehen werden. Argumente sind da ohnehin leider selten genug gefragt. Krachlederne Zitate erzielen häufig genug die bessere Wirkung.
Doch auch dabei gibt es natürlich Grenzen, die nicht überschritten werden sollten. Und Stiegler, der ja nicht nur in der Bundestagsfraktion eine führende Rolle spielt, sondern auch Chef der Sozialdemokraten in Bayern ist, ist nicht das erste Mal weit über das Ziel hinausgeschossen.
Niemand sollte glauben, Stiegler habe sich aus Einsicht entschuldigt. Zunächst hat er seine Äußerungen ja noch verteidigt, bis der Druck dann zu groß wurde. Und überhaupt nicht zurücknehmen will er seinen Vergleich des CSU-Chefs Edmund Stoiber mit dem Reichskanzler Heinrich Brüning aus der Weimarer Republik. Brünings Scheitern gilt als eine der Ursachen für das Erstarken Hitlers.
»Arbeit macht frei«, diese Parole, die über den Eingangstoren von Konzentrations- und Vernichtungslagern wie in Auschwitz prangte, steht wie keine andere für die Grausamkeiten des Nazi-Terrors. Das weiß natürlich auch der erfahrene Polit-Profi Stiegler. Er benutzte dennoch diesen Vergleich, weil er sich davon größtmögliche Aufmerksamkeit erhoffte.
Das ist schändlich, Rückgriffe auf die unseligen Slogans der Nazi-Terminologie haben in der politischen Auseinandersetzung nichts zu suchen.
Dies ficht den Ur-Bayer mit dem roten Pullover aber nicht an. Denn sein neuerlicher Nazi-Vergleich war ja beileibe kein Ausrutscher. Stiegler ist ein Rückfalltäter. Schon 2002 forderte er im Zusammenhang mit dem gescheiterten NPD-Verbotsverfahren CDU/CSU und FDP auf, sich mit Kritik an der Bundesregierung zurückzuhalten, schließlich seien ihre Vorläufer in der Weimarer Republik Hitlers »Steigbügelhalter« gewesen.
Die Liste der verbalen Entgleisungen Stieglers ist lang. Der promovierte Politologe Rafael Seligmann nannte ihn jetzt einen »Quartalsirren«. Wie es aussieht, will die SPD ihn nach der allzu milden Rüge weiterhin gewähren lassen. Das sagt einiges über den Zustand der Partei aus, ist Stiegler doch alles andere als ein Hinterbänkler. Die SPD wäre gut beraten, ihm einen Rücktritt nahezulegen. Das Fass ist endgültig übergelaufen.

Artikel vom 15.07.2005