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Lesungen mit frischer Brise

Die »Poetry Nights« im »Miner's Coffee« sind beliebt und kultig zugleich

Von Uta Jostwerner (Text)
und Hans-Werner Büscher (Foto)
Bielefeld (WB). Kleinkunst und Konzerte, Austellungen und Lesungen, Diskussionsrunden, Kabarett und Comedy: In Bielefeld gibt es zahlreiche gastronomische Betriebe, die neben Speisen und Getränken ein regelmäßiges Kulturprogramm anbieten. Das WESTFALEN-BLATT präsentiert die bunte Szene in einer Sommerserie.

Den Bergarbeiter im Logo und die Einrichtung ganz auf Lifestyle getrimmt: »Das empfinde ich als spannenden Kontrast«, sagt Rolf Grotegut, Geschäftsführer des »Miner's Coffee«. Seit Mai 2001 ist die Adresse Gehrenberg 7 - 9 nicht nur erste Wahl, wenn es um den Genuss von Kaffee geht. Auch die »Poetry Nights« im »Miner's« sind längst zum beliebten Kulturtreff geworden.
»Im vergangenen Jahr waren acht von zehn Lesungen ausverkauft«, berichtet Grotegut, der mit der Eröffnung einer Kaffee-Bar nach amerikanisch-schwedischem Vorbild in Bielefeld einen Hit landete. Persönlich, sagt Grotegut, habe er mit dem »Miner's« seinen Hafen gefunden: tolle Kunden, tolle Mitarbeiter, tolle Atmosphäre von 7.30 bis 19 Uhr.
Dann gibt es Tage, da verwandelt sich das »Miner's« nach Geschäftsschluss binnen einer Stunde in einen heimeligen Lesungssaal mit Bühne, Tonanlage und Stuhlreihen. »Mir ging es darum, das Genre Lesung neu zu erfinden, einfach lockerer und unterhaltsamer zu machen«, sagt Grotegut. Auf unbequemen Stühlen stundenlang still sitzen und mit ernster Miene andächtig einem Autor zuhören, so etwas gibt es bei Rolf Grotegut nicht. Wenn Erwin Grosche aufklärt, geht das mit einer Dauerattacke aufs Zwerchfell der bis zu 80 Gäste einher.
»Wir hatten hier schon Lesungen, da hätten wir dreimal so viel Karten verkaufen können«, freut sich Grotegut über den Zuspruch. Ob Hans Zippert liest oder Dietmar Bittrich orakelt -Êdie »Poetry Nights« können sich über mangelnde Nachfrage nicht beklagen. Nicht zuletzt die Wohnzimmeratmosphäre trägt zur Beliebtheit der Reihe bei. Da finden sich Leute im Publikum, die sonst nie eine Lesung besuchen würden.
»Für jede ÝPoetry NightÜ werden Plakate und Eintrittskarten gestaltet. Die Plakate sind so beliebt, die haben mittlerweile schon Sammlerwert«, erzählt Grotegut.
Ein Zusatzgeschäft sind die Lesungen für den Coffee-Store-Inhaber dennoch nicht. Gute und interessante Autoren wie zum Beispiel Engelbert von Nordhausen (Bill Cosbys Synchronstimme) verlangen saftige Honorare, Techniker müssen bezahlt werden, und die Plakate, die eigens von einem Grafiker gestaltet werden, gibt's auch nicht umsonst. »Aber ich mache das nicht, um Gewinne zu erzielen«, sagt Grotegut. Vielmehr gehe es ihm darum, den Kunden mehr zu bieten, mehr Inhalt zu geben. Zweimal im Jahr veranstaltet er zudem Benefizlesungen für den »Kreis 74«.
Das Konzept geht dennoch auf: »Über die ÝPoetry NightsÜ konnten viele neue Kunden gewonnen werden, die einen frisch gerösteten und zubereiteten Kaffee zu schätzen wissen«, sagt der Chef, der mit einer Rösterei im Sauerland zusammenarbeitet, die eigens für ihn und nach seinen Vorstellungen röstet.
Und was erwartet »Poetry Night«-Fans oder solche, die es noch werden wollen ab September? »Eine Charles-Bukowsky-Lesung wird auf alle Fälle dabei sein«, sagt Rolf Grotegut, der noch am Programm bastelt. Termine werden, sobald sie feststehen, im Internet veröffentlicht unter
www.miners-coffee.de

Lesen Sie am Freitag, 29. Juli: Das »Birder's« in Brake verhilft dem Rock'n'Roll zu neuem Ansehen.

Artikel vom 26.07.2005