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»Motor« für Kinderhandball

Renate Schubert »in Rente«: Spanisch lernen und nach Reykjavik

Bielefeld (WB). N3-106. Was sich wie die Bezeichnung einer neuen Handygeneration anhört, war bis zum 1. Juli der Arbeitsplatz von Diplom-Sportlehrerin Renate Schubert. Insgesamt 34 Jahre arbeitete die heute 62-Jährige unter anderem in diesem Raum für die Universität Bielefeld und deren Vorläufer, die Pädagogische Hochschule.

»Gott schuf' die Zeit, von Hektik hat er nichts gesagt.« Dass dieses ein Motto von Renate Schubert sein soll, erschließt sich angesichts der imposanten Vita der ehemaligen Leistungssportlerin, die sich neben der Tätigkeit als Dozentin an der Uni in den vergangenen Jahren vor allem für den Kinder- und Jugendhandball im Deutschen Handball Bund (DHB) und an der Basis engagiert hat, nicht sofort.
In ihrer Jugend betrieb Schubert neben dem Großfeldhandball Leichtathletik in ihrem Heimatverein SC Aplerbeck 09, ehe sie dem Speerwurf und Basketball den Vorrang gab. Mit Erfolg: Bei Fichte/Hagen spielte Schubert in der höchsten deutschen Klasse auf der Spielmacherposition und gehörte zudem im Speerwurf über Jahre zu den zehn besten Athletinnen Deutschlands. So scheiterte sie bei der nationalen Ausscheidung für die Olympischen Spiele 1964 in Tokio nur knapp.
Ihr beruflicher Werdegang begann an der Sporthochschule in Köln mit dem Studium der Sportwissenschaft. »In einem Handball-Kurs habe ich dort die damalige Nationalspielerin Gesine Küster kennengelernt, die mich eines Tages fragte, ob ich nicht mit ihr zum Training fahren wolle«, erinnert sich Schubert an die »Wiederentdeckung des Handballs«. Vor größere Probleme stellte sie das Training beim TVD Velbert, damals ein Verein der höchsten deutschen Spielklasse (Regionalliga), jedenfalls nicht. »Ich hatte ja die Kraft vom Speerwurf und das Ball- und Raumgefühl vom Basketball«, war der Sprung für Schubert ganz selbstverständlich.
Nach Studienende in Köln zog es Schubert 1971 nach Bielefeld, wo sie zunächst an der Pädagogischen Hochschule lehrte. In der Teutostadt dann die Duplizität der Ereignisse: Wieder wurde sie auf Handball angesprochen, dieses Mal von den Kind-Schwestern, beide Nationalspielerinnen von Eintracht Minden. Wieder ging der Tausendsassa mit zum Training und sollte es nicht bereuen: »1973 sind wir deutscher Meister geworden und im Jahr darauf im Europapokal-Halbfinale gegen Leipzig ausgeschieden«, erwähnt Renate Schubert symphatisch-trocken in einem Nebensatz.
Kurz darauf beendete eine schwere Knieverletzung das Kapitel »aktive Karriere«, um das des Traineramtes aufzuschlagen. Die erste Station war eine dreijährige Tätigkeit bei den Oberliga-Männern von Eintracht Minden, ehe Schubert als erste Frau Deutschlands überhaupt im Bundesligabereich eine Mannschaft übernahm. »Das war schon eine Art von Tabubruch«, erinnert sie sich an die Zeit mit den Frauen von Eintracht Minden, die sie nach dem Abstieg aus der ersten Liga übernahm und prompt zurück ins Oberhaus führte.
Nach darauffolgenden Engagements im Männer- und Frauenbereich wurde der DHB auf sie aufmerksam und verpflichtete Renate Schubert 1992 als Trainerin für den weiblichen Nachwuchs. Der Lohn: Platz drei bei der EM in Ungarn. Im darauffolgenden Jahr gewann sie mit der Frauen-Nationalmannschaft den WM-Titel als Videoanalystin unter Bundestrainer Lothar Doering. »Das war eine schöne, aber auch sehr stressige Zeit. Tagsüber waren die Spiele, und nachts habe ich mir vor dem Viedeorecorder die Nächte um die Ohren geschlagen«, grinst Schu-bert, in Erinnerungen schwelgend.
1999 errang sie mit der weiblichen DHB-Jugend erneut den dritten Platz, ehe sie sich voll ihrer jetzigen Leidenschaft widmete: dem Kinderhandball. »Jahrelang habe ich die monotone Ausbildung des Nachwuchses kritisiert. Da war es doch logisch, dass ich dort endlich was unternehmen musste«, lacht Schubert, die mit diversen Publikationen und Seminaren ihr Vorhaben umgesetzt hat und immer noch umsetzt. Im Rückblick »habe ich mein Hobby zum Beruf gemacht«, so die 62-Jährige.
Neben ihrer Vorliebe für Handball, für den sie nicht nur an der Bielefelder Uni und den Studenten bekannt ist, bereitete ihr die Arbeit als Dozentin ebenfalls viel Freude. »Über die Jahre sind auch persönliche Bindungen entstanden, die weiterhin Bestand haben werden«, freut sich Schubert schon jetzt über die Besuche ihrer Kollegen. Mit ihren Studenten pflegte Schubert stets ein fast freundschaftliches Verhältnis, mit jedem war sie per Du. Auch mit Rainer Niemeyer und Dieter »Jimmy« Waltke, den Handball-Weltmeistern von 1978. »Im gleichen Jahr hatten die zwei Schwimmprüfung bei mir. Beide waren dem Ertrinkungstod ziemlich nahe«, schmunzelt Schubert heute noch über die schwimmerischen Fähigkeiten der zwei Stars.
Wer nun glaubt, Schubert setze sich nach Erreichen des Rentenalters wirklich zur Ruhe, der irrt natürlich. »Zusammen mit Dietrich Späthe werde ich ein Motorik Bilderbuch veröffentlichen. Zudem will ich Spanisch lernen, meine Hobbies Reisen und Kochen weiter intensivieren«, plant Schubert jetzt schon Reisen nach Lissabon und Reykjavik, um abschließend ein Zwischenfazit ihres Lebens zu ziehen: »Ich möchte keine Sekunde, die ich für den Sport geopfert habe, missen.« Man kann es ihr nur glauben.

Artikel vom 16.07.2005