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Niemals freiwillig verkauft

Aktionäre über ihre Gefühle vor dem »Squeeze out«

Gütersloh/Bielefeld (WB/in). »Wie auf einer Beerdigung«, antwortet der ältere Her aus Essen auf die Frage, wie er sich fühlt. AVA-Hauptversammlungen waren für ihn in den vergangenen Jahren in erster LInie Anlass, befreundete Mitaktionäre zu treffen und »die alte Heimat wieder zu sehen«.

Mit Abschluss des gestern auf der Tagesordnung stehenden »Squeeze-out«-Verfahrens geht die AVA vollständig in den Besitz der Edeka über. Eine echte Chance, dies zu verhindern, haben die Kleinaktionäre des Bielefelder Einzelhandelskonzerns nicht. Unter denen, die zum Schluss noch weniger als fünf Prozent der AVA-Aktien halten, sind viele, die sich dem Unternehmen schon zu Co op-Zeiten verbunden fühlten. »Ich habe meine Aktien vom Vater geerbt und hätte sie freiwillig niemals verkauft«, erklärt eine Aktionärin aus Bielefeld.
Hagfried Pomplun, Kleinaktionär aus Detmold, ist grundsätzlich gegen Squeeze-out-Verfahren: »Das ist nur eine andere Form der Enteignung.« Erst als 18-jähriger aus der DDR geflohen hat Pomplun noch miterlebt, wie Unternehmern und Bauern ihr Eigentum weggenommen wurde: »Dass jemand, nur weil er mehr als 95 Prozent am Unternehmen besitzt, die Miteigentümer herausdrängen kann, verstößt nach meiner Meinung gegen das Grundgesetz.«
Unterschiedliche Meinungen kursieren vor Beginn der Hauptversammlung über die Höhe der von der Edeka angebotenen Bar-Abfindung von 45,32 Euro. Ein Aktionär, der seine Papiere zur Hochzeit der Börse vor fünf oder sechs Jahren erworben hat, stellt fest, dass der angebotene Betrag nur wenige Cents über dem damaligen Kaufpreis liegt. Martin Placke, früherer langjähriger Vorsitzender des AVA-Aktionärsvereins, nennt das Edeka-Angebot dagegen »fair«. Dies werde »Leichenfledderer« allerdings nicht davon abhalten, zu versuchen, ihre kurz zuvor erworbenen Aktien durch Störmanöver aufzubessern.
Minuten später beginnt die Hauptversammlung. Placke muss erleben, dass er mit seiner Prognose Recht behält. Sein späterer Versuch, den Squeeze-out-Gegnern ins Gewissen zu reden und Ehrenhaftigkeit einzufordern, geht im Gejohle der Anhängerschaft Manfred Kleins unter.

Artikel vom 14.07.2005