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Rechte Schläge
auf dem Linkskurs

British Open: Schusters große Runde

St. Andrews (dpa). Der Außenseiter blieb eiskalt: Der erste Auftritt vor einem nach Millionen zählenden Fernsehpublikum weltweit hat Tino Schuster nicht irritiert.

»Mir sind einige tolle Golfschläge gelungen, wichtige Putts sind im rechten Moment gefallen. Die 68er-Runde ist das Ergebnis solider Arbeit. Mehr nicht«, sagte Schuster eher unaufgeregt nach der Golfrunde seines Lebens bei der 134. British Open. Zehn Tage nach seinem 27. Geburtstag war der schlaksige Schwabe aus Stuttgart im Golf-Mekka St. Andrews völlig unerwartet auf Tuchfühlung zu Superstar Tiger Woods und seinem Idol Bernhard Langer gegangen, und das in Lockerheit.
Tino Schuster? Er ist der »Lehrling« des Langer-Trainers Willi Hofmann. Mit 68 Golfschlägen hatte er sich beim ersten Major-Turnier seiner fünfjährigen Berufsspieler-Karriere unter die besten Drei auf dem »Heiligen Rasen« des Old Course katapultiert.
Im Abstand von nur zwei Schlägen zum Weltbesten Tiger Woods, aber sogar sechs vor Ernie Els, dem Weltranglisten-Dritten aus Südafrika. »Ich liebe die Links-Kurse wie St. Andrews. Die liegen mir. Dabei war ich noch nicht einmal als Zuschauer hier«, sagte Schuster in Bescheidenheit.
1997 und 1998 war er deutscher Amateurmeister, 2004 hatte er beim erstklassigen Europa-Turnier BMW Open mit Rang 11 seine bisher wertvollste Platzierung geschafft. Der Sieg bei der Lytham Trophy 1999, dem zweitwichtigsten europäischen Amateurturnier auf einem der extrem schwierigen Dünenkurse, war vielleicht die Initialzündung für den fulminanten Start in St. Andrews. Vielleicht war die erste Runde aber auch nur eine Momentaufnahme im Leben des bisher drittklassigen Golfprofis. »Ich würde lügen, wenn die Open für mich ein normales Turnier wären. Ich habe mich nach der Qualifikation aber normal mit täglichem Training vorbereitet«, bekennt Schuster. Als 739. der Weltrangliste konnte er sich am vergangenen Sonntag bei der lokalen Qualifikation im Leven Links GC erst im Stechen um Platz drei in das Elitefeld von St. Andrews durchboxen.
Tino Schuster ist Realist und weiß, dass er so lange von der Hand in den Mund leben muss, bis er die entscheidende Chance zum Sprung ganz nach oben zu nutzen versteht. »Mein höchstes Preisgeld auf der Challenge Tour war bisher ein Scheck von 1200 Euro. Aber ich habe dort bisher auch nur vier Turniere gespielt, aber immer den Cut geschafft«, beschreibt Schuster seine fünfte Saison im Kreise der Nobodys aus der dritten Reihe. Die Profilaufbahn hatte er 2001 eingeschlagen.
Der Weltranglisten-Dritte Ernie Els aus Südafrika hat nach seinem misslungenen Auftakt am Freitag mit einer 67er-Runde und 141 Schlägen wieder in die Erfolgsspur gefunden. Zusammen mit Vijay Singh (138/Fidschi) und dem Südafrikaner Trevor Immelmann (138) machte sich der British-Open-Sieger von 2002 auf die Jagd auf Spitzenreiter Tiger Woods. Der Amerikaner und Führende nach der ersten Runde musste wie Bernhard Langer und der Überraschungs-Dritte Tino Schuster anschließend auf den Kurs.

Artikel vom 16.07.2005