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Anwalt zeigt
sich selbst an

Kritik an Amtsgericht und Jugendamt

Von Wolfgang Wotke
Gütersloh (WB). Im Fall des verhafteten Gütersloher Rechtsanwaltes Olaf O. (43) werden dem Amtsgericht Halle und dem Jugendamt des Kreises Gütersloh schwere Versäumnisse vorgeworfen.

Wie bereits berichtet sitzt der Rechtsanwalt wegen des Verdachts der Untreue in Untersuchungshaft. Er soll Mandantengelder seit mehr als fünf Jahren unterschlagen haben. Der Schaden beläuft sich mittlerweile auf mehr als eine Million Euro.
Nach Angaben des Sozialwissenschaftlers Michael B. Ludwig (52) aus Telgte sei das Amtsgericht Halle bereits am 6. Mai 2002 schriftlich darüber informiert worden, dass Unregelmäßigkeiten hinsichtlich der Abrechnungen durch Dr. Christian G. & Partner in einer Vormundschaftssache aufgetreten seien. Dr. Christian G. & Partner arbeiten für den beschuldigten Rechtsanwalt. Die Behörde habe bis heute nichts unternommen, sagte Ludwig. Das betreffende Schreiben seiner Rechtsanwältin Ingeborg Eisele aus Hannover an das Amtsgericht liegt dieser Zeitung vor.
Die Juristin beanstandet darin falsche Stunden- und Kilometerabrechnungen der Anita O., die zu dem damaligen Zeitpunkt Mitarbeiterin von Dr. Christian G. war. Der wiederum steht seit Jahren »in verfestigter Kooperation« (so steht es auf seinen Briefbögen) mit dem verhafteten Olaf O. in deren Rechtsanwaltskanzlei an der Friedrich-Ebert-Straße. Diese Immobilie soll zum Verkauf stehen.
Ähnliche Vorwürfe richtet Hannelore Sandmann-Langer aus Schloß Holte-Stukenbrock auch gegen das Jugendamt des Kreises Gütersloh. »Ich bin davon überzeugt, dass das Amt über die falschen Abrechnungen der Mitarbeiterin von G. Bescheid wusste. Und trotzdem wurden dem Betreuer und dem Kompagnon von Olaf O., Rechtsanwalt Ralf M., weitere Vormundschaften überlassen. Ein Skandal«, schimpft die 55-Jährige, die Vorsitzende des Vereins der Adoptiv- und Pflegefamilien in OWL ist.
Dieter Wissmann, Direktor des Amtsgerichtes Halle, erklärte, dass den Vorwürfen wegen Falschabrechnungen nachgegangen worden sei. Wissmann: »Die widersprüchlichen Erklärungen der Pflegeeltern einerseits und der Vormünderin andererseits konnten aber nicht abschließend geklärt werden.«
Uwe Klösters vom Jugendamt Gütersloh bestreitet die Vorwürfe von Sandmann-Langer: »Wenn wir über die angeblichen falschen Abrechnungen damals informiert gewesen wären, hätten wir natürlich anders gehandelt.«
Nach Informationen dieser Zeitung soll der Kompagnon von Olaf O., Anwalt Ralf M., vor einigen Wochen Selbstanzeige erstattet haben. Demnach soll M. erklärt haben, von O. reingelegt worden zu sein.
Nur O. soll nach seiner Aussage die gesamten Abrechnungen in den vergangenen Jahren vorgenommen haben, obwohl auf den Vergütungs- und Aufwendungsformularen, die dieser Zeitung ebenfalls vorliegen, der Name von Ralf M. steht. Der Hauptverdächtigte Olaf O. soll nach Berichten von engen Freunden versucht haben, sein Privatvermögen an seine Ehefrau zu überschreiben.

Artikel vom 14.07.2005