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Schulsport: Beliebt
und »Stiefkind«

Brettschneider stellte Studie vor

Bielefeld (sas). Jede vierte Sportstunde an deutschen Schulen fällt aus. Dabei wird das Fach von Lehrern, Schülern und Eltern geschätzt und als wichtig eingestuft. Und vor dem Hintergrund, dass bei Kindern und Jugendlichen eine dramatische Gewichtszunahme zu verzeichnen sei - mit der Folge von Krankheiten, die man bisher nur bei Erwachsenen kannte -, dass zudem die motorische Leistungsfähigkeit abnimmt und es Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und kognitiver Lernleistung gibt, sei dieser Befund bedenklich, betont Prof. Dr. Wolf-Dietrich Brettschneider.

Der Sportwissenschaftler der Uni Paderborn ist Sprecher der Forschungsgruppe, die die erste bundesweit angelegte Studie über den Schulsport in Deutschland durchgeführt hat. Daran waren sechs Hochschulen beteiligt. Vor Bielefelder Kollegen und Studierenden hat Brettschneider die Studie vorgestellt, für die knapp 8900 Schüler, aber auch ihre Schulleiter, Sportlehrer und Eltern befragt wurden.
In allen europäischen Staaten, so Brettschneider, kommt nur jeder zweite Heranwachsende auf die empfohlene tägliche Bewegung von mindestens einer Stunde. Immerhin drei Stunden Schulsport pro Woche (à 45 Minuten, abzüglich Umkleiden) sind in Nordrhein-Westfalen vorgesehen. »Das ist das Soll. Tatsächlich gibt es eine große Diskrepanz - in allen Ländern und fast allen Schulformen - und fällt im Schnitt fast eine Stunde aus.« Lediglich an Grundschulen sieht es besser aus. Dafür aber wird dort der Sportunterricht häufig von Pädagogen erteilt, die dafür nicht ausgebildet sind, da hier eher das Klassenlehrer- statt des Fachlehrerprinzips gilt.
Als insgesamt befriedigend wird der Zustand der Sportstätten eingeschätzt - obgleich jede fünfte Schule nicht über geeignete Räumlichkeiten verfügt und 20 Prozent der Schulen zudem keine Chance haben, Schwimmunterricht zu erteilen oder diese nicht nutzen. »Es ist möglich, dass Grundschüler in vier Jahren nicht ein einziges Mal Schwimmen haben. Der Anteil der Nichtschwimmer oder ungeübten Schwimmer steigt«, sagte Brettschneider.
So gut die Sportlehrer von den Schülern auch bewertet werden: Es gibt eine Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage, was die Sportarten angeht. Bei den Kindern und Jugendlichen besonders beliebt ist das Schwimmen, gefolgt von den traditionellen Sportspielen und Trendsportarten wie Inliner oder Klettern. Ebenso werden die Ziele des Sportunterrichts unterschiedlich bewertet: Für die Pädagogen steht an erster Stelle die Förderung des fairen Miteinanders; die Schüler haben bessere Fitness und eine Verbesserung ihrer Leistungen in einzelnen Sportarten obenan gesetzt, sie erwarten zudem Entspannung und einen Ausgleich zu den anderen Fächern.
Brettschneiders Folgerung: Leistung und Kompetenz würden im Sportunterricht nicht mehr ernst genug genommen. Das hohe Lied auf den erziehenden Sportunterricht, in dem vieles gerichtet werden soll, mag er nicht singen: »Ist nicht vorrangiges Ziel, Kinder ein Leben lang an den Sport zu binden und ihre Leistung zu fördern?«

Artikel vom 15.07.2005