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»Die Verbraucher entscheiden«

Gehring (WLV) und Baringdorf (ABL) zur agrarpolitischen Wende in NRW

Von Bernhard Hertlein
Münster/Spenge (WB). Die von NRW-Landwirtschaftsminister Eckhard Uhlenberg (CDU) angekündigte Wende in der Agrarpolitik stößt beim Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband (WLV) und der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft (ABL) auf unterschiedliche Reaktionen.

Zusätzlich zur ÊRücknahme bisheriger Vorschriften zur Schweinehaltung (»Kuschelerlass«), der Abschaffung der Käfige und Einführung von Volieren für Legehennen sowie einem von weiteren Untersuchungen zur Ammoniakbelastung begleiteten erleichterten Umgang mit Gülle kündigte Uhlenberg gestern an, dass sich Nordrhein-Westfalen auch der Gentechnik ein Stück weit öffnen werde. »Hier sind die europäischen Vorschriften für uns maßgeblich«, stellte der Landesminister im Gespräch mit dieser Zeitung fest. Die Haftung solle vom einzelnen Landwirt genommen und, sofern sich der Bauer an die vorgegebenen Regeln halte, auf einen Fonds übertragen werden. Uhlenberg: »Wir sehen in der grünen Gentechnik auch Chancen und wollen in Nordrhein-Westfalen unsere eigenen Erfahrungen damit machen.«
Der Verbraucher werde dadurch weder gefährdet noch benachteiligt. Er solle selbst entscheiden, ob er genveränderte Lebensmittel kauft. »Die Vorschriften zur Kennzeichnung gehen uns nicht weit genug«, sagte Uhlenberg.
Obst- und Gemüsebauern waren Uhlenberg zufolge bisher auch dadurch benachteiligt, dass sie Pflanzenschutzmittel nicht verwenden durften, die in anderen EU-Staaten erlaubt sind. Nun soll die Anwendung von geeigneten Pflanzenschutzmitteln erleichtert werden. Weiter will sich Uhlenberg im Bundesrat dafür stark machen, dass Getreide auch in kleineren Verbrennungsanlagen als 100 Kilowatt zur Energieerzeugung eingesetzt werden darf.
WLV-Hauptgeschäftsführer Werner Gehring lobte gestern in Münster die Vorhaben des neuen Landwirtschaftsministers. Damit würden bisherige Benachteiligungen der NRW-Bauern endlich aufgehoben. Nun sei es notwendig, die Ankündigungen zügig in Gesetze und Erlasse umzusetzen. Bis heute berge etwa ein Test mit genverändertem Saatgut für den einzelnen Landwirt in Nordrhein-Westfalen noch »unkalkulierbare Risiken«.
Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf (Spenge), ABL-Vorsitzender und Europa-Abgeordneter der Grünen, kritisierte dagegen, der Tierschutz werde zu Gunsten der Massenproduktion zurückgedreht. Von der Rücknahme des Schweinehaltungserlasses profitierten allein die wenigen Agrarfabriken in NRW. Die von den Gegnern als »Kuschelerlass«Êverhöhnte Vorschrift der früheren Ministerin Bärbel Höhn verpflichtet Betriebe mit mehr als 3000 Tieren zur Einstellung von Arbeitskräften. Ein Neuland- oder Ökobetrieb kalkuliert nach Angaben des Spenger Biolandwirts dagegen schon von 300 Tieren an mit einer Arbeitskraft.
Graefe zu Baringdorf sieht für die Bio-Landwirte auch Vorteile bei der neuen NRW-Agrarpolitik: »Unterschiedliche Produktionsweisen werden für den Verbraucher wieder ganz klar erkennbar.« Immerhin kehre Nordrhein-Westfalen bei den Legehennen nicht zu den Käfigbatterien zurück: »Diese sind von 2012 an allerdings auch schon durch EU-Recht verboten.« Was die Verbrennung von Getreide zur Energieerzeugung betrifft, so geht Baringdorf dies »als Bauer schwer gegen den Strich«. Die Weichen seien aber schon vorher und von anderen gestellt worden.

Artikel vom 13.07.2005