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Der Konsum wird weiter zurückgehen

Ostwestfälische Wirtschaft kritisiert geplante Steuererhöhung von CDU/CSU

Von Edgar Fels
Bielefeld (WB). Die von CDU und CSU geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 18 Prozent im Falle eines Wahlsieges bei den kommenden Bundestagswahlen stößt bei der heimischen Wirtschaft auf Kritik. Die konsumnahen Branchen würden belastet, die Binnenkonjunktur geschwächt.

Das Wahlprogramm der Union enthält nach Ansicht von Thomas Niehoff, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen, zwar mutige und richtige Schritte. Aber: »Die Entlastung auf der Seite der Lohnnebenkosten dürfte zu gering ausfallen, um positive Impulse in der Beschäftigung zu setzen«, sagte er gestern dieser Zeitung.
Niehoff nennt es inakzeptabel, dass die geplante Mehrwertsteuererhöhung nicht zu 100 Prozent in die Beitragssenkung der Arbeitslosenversicherung eingeht. »Die Union läuft Gefahr, dass es 2006 unter dem Strich sogar zu einer Erhöhung der Steuer- und Abgabenlast kommen würde.«
Der Einzelhandelsverband (EHV) Ostwestfalen-Lippe sieht die Steuererhöhung um zwei Prozentpunkte nach wie vor kritisch. »Der Konsum wird zurückgehen«, sagte Hauptgeschäftsführer Stefan Genth gestern. Diese Erfahrung habe man auch bei den zurückliegenden Mehrwertsteuererhöhungen gemacht.
Genth ist davon überzeugt, dass ein großer Teil der Mehrwertsteuererhöhung »als Kosten im Handel hängen bleibt« und die Rendite der Geschäftsleute schmälert. »Der Wettbewerb lässt es nicht zu, dass die Preiserhöhungen ganz an den Verbraucher weitergegeben werden«, erklärte der Hauptgeschäftsführer.
Genth rechnet für den Handel allein in OWL (ohne Tankstellen und Kfz-Verkauf) mit Umsatzeinbußen in Höhe von 480 Millionen Euro. Im vergangenen Jahr betrug der Umsatz in der Region elf Milliarden Euro, in ganz Deutschland 370 Milliarden Euro.
Neben dem Handel und der Industrie bleibt auch das Handwerk dabei: Steuererhöhung sei das falsche Signal, schimpfte gestern der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). »Danach fehlt der Druck, schnell mit einer konsequenten Reformpolitik im Bereich der sozialen Sicherungssysteme zu beginnen«, sagte ZDH-Präsident Otto Kentzler. »Wir brauchen unter dem Strich eine Entlastung für Bürger und Unternehmen, um die Nachfrage zu beleben.« Gerade die arbeitsintensiven mittelständischen Unternehmen bräuchten eine schnelle Entlastung bei den Lohnzusatzkosten.
Die Handwerkskammer OWL wird sich heute auf ihrer Präsidiumssitzung unter Leitung von Präsidentin Lena Strothmann (CDU) mit dem Thema Mehrwertsteuererhöhung befassen.
Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes würde eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 18 Prozent in Deutschland die Teuerung beschleunigen. Die Teuerungsrate würde sich um etwa 0,9 Prozentpunkte erhöhen, teilte die Behörde gestern mit. Derzeit liegt die Rate bei 1,9 Prozent und damit knapp unter der Schwelle von zwei Prozent, bei der nach Definition der Europäischen Zentralbank Preisstabilität gesichert ist.
Unterdessen hat der Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI), Thomas Straubhaar, das CDU-Wahlprogramm als Minimalprogramm bezeichnet. »Es geht noch nicht weit genug«, sagte Straubhaar. Er hätte sich als Vision eine grundsätzliche Trennung von Arbeitsmarkt und Sozialpolitik gewünscht. Er kritisierte vor allem die Planung einer nur um zwei Prozentpunkte steigenden Mehrwertsteuer, um damit die Lohnnebenkosten zu entlasten. Straubhaar plädierte für mindestens vier Prozentpunkte mehr. Das HWWI erwartet 2005 ein Wachstum von 0,7 Prozent und hat damit die bisherige Prognose von 0,6 Prozent leicht angehoben.

Artikel vom 13.07.2005