13.07.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Bundestagswahl hat jetzt Vorrang

SPD vertagt Analyse des NRW-Debakels - Unausgesprochenes Redeverbot

Von Claus Haffert
Düsseldorf (dpa). Für eine Aufarbeitung ihres Debakels bei der Landtagswahl haben die Sozialdemokraten keine Zeit.
Jochen Dieckmann, neuer SPD-Landeschef

Fast übergangslos müssen die NRW-Genossen in den Wahlkampf starten - ihren vierten in nur 15 Monaten. »Das geht wahnsinnig an die Kräfte«, beschreibt Düsseldorfs SPD-Chef Peter Knäpper die Lage im größten Landesverband. Für viele Unterbezirke war der Verlust der Macht nach 39 Jahren der dritte Tiefschlag in Folge. Nach der Europawahl war auch die Kommunalwahl 2004 in vielen Orten schief gegangen.
Über die Gründe für den Machtverlust nach 39 Jahren wird in der NRW-SPD überwiegend hinter vorgehaltener Hand debattiert. Bis zum 18. September gilt ein unausgesprochenes öffentliches Redeverbot. Parteichef Franz Müntefering ist das recht. Für das Debakel fand er beim Landesparteitag eine einfache Erklärung: »Da stand der Zeitgeist dagegen.« Die 400 Delegierten sparten sich denn auch eine Debatte über Ursachen der Niederlage.
Personelle Konsequenzen hat die Landespartei dagegen schnell gezogen. Ex-Finanzminister Jochen Dieckmann wurde zum Landesvorsitzenden gewählt, Ex-Wissenschaftsministerin Hannelore Kraft übernahm den Fraktionsvorsitz. Die 44-Jährige ist eine der wenigen Nachwuchskräfte, die es in der NRW-SPD nach oben geschafft haben. Dass bei der Personalrekrutierung einiges im Argen liegt, kritisierte in Bochum Ex-Ministerpräsident Peer Steinbrück.
Die SPD müsse nach »den besten Frauen und Männern mit Statur und Profil« suchen und dürfe den Regionalproporz nicht über alles stellen. Mit dem neuen Parteichef Dieckmann sind die NRW-Sozialdemokraten auf Nummer Sicher gegangen. »Ich bin kein Lautsprecher«, räumte der Jurist unumwunden ein. Dieckmann will die Partei zusammenhalten, ein Volkstribun ist er nicht. Der Parteichef dürfte vor allem mit der Ansicht vieler Genossen zu kämpfen haben, die Wahlniederlage in NRW sei ein Betriebsunfall, der sich in fünf Jahren schnell reparieren lasse.
Immerhin - der Mitgliederschwund bei der NRW-SPD scheint gestoppt. Von Mai bis Juni konnte Generalsekretär Michel Groschek 1000 neue Genossen begrüßen. Erstmals seit vielen Monaten ist die Mitgliederzahl, wenn auch nur leicht, angestiegen. Auch zu den Parteiveranstaltungen kämen wieder mehr Mitglieder, berichtet Knäpper. Noch werde aber überwiegend geschimpft, vor allem über die Entscheidung des Kanzlers für Neuwahlen. Jetzt komme es darauf an, den Ärger in Engagement umzusetzen. »Das wird noch ein Problem«, räumt der Düsseldorfer SPD-Chef ein.
Erschwert wird der Wahlkampf durch die leeren Kassen. »Wir haben alles Geld in die Landtags- und in die Kommunalwahl gesteckt«, sagte Knäpper. Bei den anderen Parteien sieht das aber nicht viel anders aus. In Dortmund haben sich SPD, CDU und Grüne deshalb darauf geeinigt, weniger Wahlplakate als üblich an die Straßen zu hängen.

Artikel vom 13.07.2005