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Der goldene Bär
fühlt sich müde

Jack Nicklaus' letztes Major-Turnier

St. Andrews (dpa). Sam Snead stieg im Juli 1946 im Bahnhof von St. Andrews an der schottischen Ostküste aus dem Zug und wollte seinen Augen nicht trauen.

»Welcher verödete Golfplatz ist das?«, fragte der US-Golfprofi, der für 2000 Dollar Reisekosten über den »Großen Teich« gekommen war, um die British Open zu spie- len. Vier Tage später hatte er zum ersten und einzigen Mal das älteste Golfturnier der Welt und 600 Dollar Siegprämie auf dem Platz in der Dünenwüste vor der kleinen Universitätsstadt gewonnen.
Zum Veteranentreffen auf dem markantesten Links(Dünen)-Kurs der Welt bei der 134. British Open Championship hat es der mittlerweile 93-jährige Snead nicht mehr geschafft. Dafür kündigte »The Golden Bear« Jack Nicklaus (USA) seine letzten Major-Runden in der Wiege des Golfsports an. Nach 163 Matches in der höchsten Turnier-Kategorie will sich der 65-Jährige verabschieden.
»Es gibt viele Gründe, St. Andrews als endgültigen Abschied von den Majors zu wählen«, sagte der erfolgreichste und beste Golfer aller Zeiten, »ich liebe diesen Ort mit all seinen Emotionen und all dem, wofür er steht.« Kaum zu glauben, aber der seit sechs Jahren mit einer künstlichen Hüfte spielende Rekordsieger Nicklaus sagt nach 18 Major-Titeln - zwei davon 1970 und 1978 in St. Andrews - leise Servus. Dabei hatte er den Abschied schon einmal 2000 beim Sensationssieg seines Landsmanns Tiger Woods mit einer pathetischen Show geprobt: Von der legendären Steinbrücke über dem Swilken Burn-Bach winkte er, hatte Tränen in den Augen.
»Die Open ist wirklich das letzte Major, was ich erledigen will. Ich bin kein Turniergolfer mehr«, stellte Nicklaus fest. Der »Royal Ancient Golf Club (R&A), hat ihm gezielt geholfen und zu diesem Anlass dem Familienvater zum 27. Mal seit 1873 »The Open« auf dem Old Course als perfekte Kulisse zu Füßen gelegt. Es ist die einmalige Stimmung um das 18. Grün zwischen den Dünen und den 113 - zum Teil Meter tief gähnenden - Topfbunkern, die den Reiz dieser unvergleichlichen Kulisse ausmachen. Der Par-72-Kurs mit 14 Doppelgrüns verkörpert dem Fachurteil nach wie kein anderer den »Geist des Golfspiels«.
Fragt man die Einheimischen nach dem Golfplatz-Architekten, gibt es nur einen Antwort: »Der liebe Gott hat ihn gebaut.« Das kann man glauben und sehen, wenn der Vergleich mit den in USA top gestylten Plätzen gezogen wird. Die naturbelassenen Spielbahnen auf dem Gelände, das 1552 erstmals als »Golfcourse« erwähnt worden ist, sind wie die Bausubstanz in der Universitätsstadt kaum verändert.
Das Dünengras und die stechenden Macchia-Büsche als Begrenzung der Fairways und Bunker mit skurrilen Namen wie Ginger Beer, Hole Cross out oder Corner of Dyke geben der Arena etwas von einer Mondlandschaft. Aber keiner ist so spektakulär wie der Road-Hole-Bunker auf der 17. Bahn: ein Par 4 über 410 Meter, belauert von dem Hindernis, aus dessen Tiefe heraus die Fahne nicht zu sehen ist. »Der Schlüssel zum Erfolg ist die Erfahrung alter Füchse und nicht der ungestüme Drang der Jungen«, warnte Nicklaus.

Artikel vom 13.07.2005