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Bienen haben
Wespentaillen
Antwort auf ungeklärte Fragen aus dem Reich der Tiere
Tierischer ErnstAuch auf einem Wegder für die Katz istkann man auf den Hund kommenwenn man nicht Schwein hat Erich Fried


Nun, man muss sich den Dingen nicht immer mit tierischem Ernst nähern. Nicht einmal als Wissenschaftler. Wo doch selbst die Tiere, denen man es ja gemeinhin unterstellt, nicht alles ernst nehmen.
Hühner zum Beispiel - ständig am Gackern! Wie die Backfische in der hinterletzten Schulbank. Auch der Rotfuchs kichert, wenn er auf der Balz ist. Dieser Schlingel! Und Schimpansen, die müssen sich gar den Bauch halten, wenn es zu lustig wird. Von tierischem Ernst kann also allen Ernstes nicht die Rede sein.
Aber lachen Hühner wirklich? Oder lautet das nur so? Klaut der Rabe wie ein Rabe? Kriegen Gänse Gänsehaut? Knutschen Elche? Und hat ein Tausendfüßler exakt 1000 Füße?
Fragen, die sich jeder schon einmal gestellt hat - und mit denen Kinder zu allen Zeiten ihre Eltern, Großeltern, Lehrer und sonstige Erwachsene genervt haben. So war es nur gut, dass sich endlich einmal ein Mann vom Fach der vielen ungeklärten und, wie angeklungen, nicht immer ganz ernst gemeinten Fragen aus dem Reich der Tiere angenommen hat. Und warum tat er das?
Eines morgens früh, gerade nach sieben Uhr, wurde Henning Wiesner (61) ganz ernst daheim am Telefon verlangt: »Können Glühwürmchen eigentlich durchbrennen?«, fragte ein »Engelsstimmchen« den Chef des Münchner Tierparks Hellabrunn, der als solcher und als Tierarzt schon so einiges an Fragen gewohnt war.
»Können sie nicht«, antwortete er, und vermutete hinter der Frage den beziehungstechnischen Aspekt. Bei unseren großen Glühwürmchen, führte der Doktor Wiesner dann aus, sei die Treue dadurch gewährleistet, dass die flügellosen Weibchen einfach nicht wegfliegen können. (Wobei er offenbar voraussetzt, dass das Durchbrennen ansonsten eine rein weibliche Angelegenheit ist.)
Aber so sei das doch gar nicht gemeint gewesen. Es gehe um das »Elektrische«, hakte das Engelsstimmchen am anderen Ende der Telefonleitung nach - um sich endlich, während der Zoodirektor noch das Phänomen der Biolumineszenz (deretwegen die Glühwürchen glühen) zu erläutern suchte, als Walli Müller (36) vom Bayerischen Rundfunk zu outen.
Aus ihrer Jux-Frage entstand schließlich die Radio-Reihe »Viecherei auf Bayern 3«, die ein ganzes Jahr lang allmorgendlich dergleichen Probleme aus der Tierwelt aufgriff und den Zuhörern viel Spaß machte. Dem Illustrator Günter Mattei (58), der auch die Schautafeln und Plakate für den Tierpark Hellabrunn zeichnet, fielen zu den verqueren Fragen sogleich die passenden Bilder ein.
Und so entstand das überhaupt nicht ernste, aber gleichwohl sehr lehrreiche Buch »Müssen Tiere Zähne putzen«, das auf 50 ulkige Fragen erklärend Antwort findet - eins zu eins in Wort und Bild. Kaum erschienen, wurde es im März zum »Buch des Monats« der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur gekürt.
Was Ältere nicht abschrecken sollte. Denn erstens ist der Band eine Augenweide für jeden - und zweitens könnten sie ja mal gefragt werden - zum Beispiel, warum Bienen keine Wespentaille haben. (Haben sie übrigens, sieht man unter dem Pelz nur nicht! Weshalb im Umkehrschluss menschliche Wesen mit Wespentaille, welche diese auch vorzeigen möchten, besser keinen Pelz tragen sollten.)
Und was ist nun mit den lachenden Hühnern? Nun, die lachen ebenso wenig wie der Lachende Hans, auch als australischer Rieseneisvogel bekannt: Die beiden gefiederten Freunde können einfach nicht anders. Auch das Pferd lacht ja nicht, wenn es wiehert - obwohl mancher Stammtischbruder wiehert, wenn er lacht.
Zumeist ist es also schlicht die Unart des Menschen, dem Tier seine eigenen Eigenschaften anzudichten, wenn es sich ähnlich anhört oder ähnlich aussieht wie das, was er so über den Tag herauslässt. Dabei kann es dann durchaus zu Missverständnissen kommen. Ein breit grinsender Hund zum Beispiel, einer also, der sämtliche Zähne freigelegt hat, könnte gerade dabei sein, genau das Gegenteil von »ich bin hoch erfreut« zu signalisieren...
Schimpansen allerdings, die können wirklich lachen wie ein Mensch - auch wenn das Geräusch, das sie dabei machen, eher an Ferkels Gequieke erinnert. Unsere entfernten afrikanischen Verwandten haben nämlich Lachmuskeln wie unsereins. Und die nutzen sie wie wir, wenn sie sich über irgendetwas ganz tierisch amüsieren.
Ingo Steinsdörfer

Henning Wiesner / Walli Müller / Günter Mattei: Müssen Tiere Zähne putzen? ... und andere Fragen an einen Zoodirektor
Mit vielen farbigen Bildern, Carl Hanser Verlag, 15,90 Euro.

Artikel vom 23.07.2005