12.07.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Wir sind nicht
auf dem Niveau
der Konkurrenz«

Schumacher hakt den WM-Titel ab

Silverstone (dpa). Rekordweltmeister Michael Schumacher hat nach dem Flop von Silverstone die Titelverteidigung abgehakt. Der Ferrari-Star ist zum Opfer der in dieser Saison nur noch mittelmäßigen Scuderia geworden. »Die WM ist sicherlich momentan in weite Ferne gerückt«, räumte Schumacher nach seinem sechsten Platz beim Großen Preis von Großbritannien erstmals ein.

Doch nicht die 34 Punkte Rückstand auf Spitzenreiter Fernando Alonso beunruhigen den 36-Jährigen. Viel mehr gibt Schumacher zu denken, dass im Rennen die Distanz der »Roten« zu Renault und McLaren-Mercedes gewachsen ist: »Wir sind nicht auf dem Niveau unserer Konkurrenten. Die anderen haben scheinbar besser entwickelt als wir.«
Wenn man sich Indianapolis, Magny-Cours und Silverstone anschaue, müsse man ganz klar sagen, »dass wir eher rückwärts als vorwärts gegangen sind«, sagte der siebenmalige Champion. Wie zuletzt in Frankreich auf Alonso wies Schumacher auch in England weit über eine Minute Rückstand auf Sieger Juan Pablo Montoya im McLaren-Mercedes auf.
Über die Gründe für den Klassenunterschied rätselt Schumacher: »Wenn das so einfach wäre, das unmittelbar nach dem Aussteigen zu wissen, dann würde ich meinen Ingenieuren das sofort erklären.« Ferrari-Direktor Jean Todt suchte Trost in den kleinen Dingen. »Der einzig zufrieden stellende Punkt ist unsere Zuverlässigkeit«, sagte der Franzose. »Die schlechte Nachricht ist, sie waren zuverlässig langsam«, spottete die britische »Times«.
Schumacher erlebt nach seiner Dominanz mit fünf WM-Titeln in Serie die schwierigste Zeit, seit er 1996 zu Ferrari kam. »Das ist eine Phase, die man durchlebt. Wir haben schon viel schlimmere Phasen durchstehen müssen. Das ist zwar nicht so schön wie die letzten Jahre, aber ich kann damit ganz gut leben«, behauptete er. »Eine magere Saison löscht nicht die großen Triumphe aus«, tröstete die »Gazzetta dello Sport«, warnte jedoch auch: »Ein weggeworfenes Jahr verzeiht man, zwei schon schwerer.«
Warum das Ferrari-Pferd in diesem Jahr lahmt, ist schwer zu erklären. Die Scuderia und ihr Reifenlieferant Bridgestone hatten in der vergangenen Saison nach den frühen Gewinnen des Konstrukteurs- und des Fahrertitels genug Zeit, sich auf 2005 vorzubereiten. Diese nutzen sie nicht.
Vom ersten Rennen an fahren Schumacher und Barrichello erst im modifizierten F2004, dann im F2005 mal mehr, mal weniger deutlich hinterher. Darüber täuschen auch die jeweils vier Podiumsplätze der beiden Piloten nicht hinweg. Der einzige Sieg kam zu Stande, weil beim Skandalrennen in Indianapolis die Konkurrenten nicht antraten.
Millionen Euro hat Ferrari bei den Tests für die Suche nach der verlorenen Zeit verpulvert. »Wir sind eigentlich permanent am Testen«, berichtete Schumacher. »Wir arbeiten schon gewissermaßen bis an die Grenzen und müssen uns eingestehen, dass wir einfach nicht gut genug.«

Artikel vom 12.07.2005