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»Ein ehrliches Programm«

Merkel und Stoiber wollen politischen Richtungswechsel einleiten

Berlin (dpa). Die Union will nach einem Wahlsieg mit drastischen Veränderungen in der Arbeitsmarkt-, Steuer- und Sozialpolitik einen politischen Richtungswechsel einleiten.

Das kündigten die CDU-Vorsitzende Angela Merkel und CSU-Chef Edmund Stoiber gestern unmittelbar nach der Verabschiedung ihres gemeinsamen Wahlprogramms in Berlin an. Zu den Unionsvorhaben gehören eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 18 Prozent schon am 1. Januar 2006. Dafür sollen die Lohnnebenkosten zum selbem Zeitpunkt spürbar gesenkt werden.
Sowohl Merkel als auch Stoiber sprachen von einem »ehrlichen Programm«. Es werde nichts versprochen, was nach der für den 18. September anvisierten Bundestagswahl nicht gehalten werden könne. Über künftige Ministerposten einer möglichen christlich-liberalen Regierung sei nicht gesprochen worden. »Es geht um eine Richtungsentscheidung«, sagte Merkel. Stoiber betonte, das Programm sei solide durchgerechnet.
Das 38 Seiten umfassende Papier mit dem Titel »Deutschlands Chancen nutzen. Arbeit. Wachstum. Sicherheit« wurde mit großer Mehrheit von den 100 Vorstandsmitgliedern beider Parteien gebilligt. CSU-Vize Horst Seehofer und das CDU-Vorstandsmitglied Regina Görner enthielten sich. Unmittelbar nach der Verabschiedung der Wahlplattform regte sich außerhalb der Union teilweise massiver Widerstand gegen die geplante Mehrwertsteuererhöhung und den Inlandseinsatz der Bundeswehr im Kampf gegen den Terrorismus.
Merkel und Stoiber rechtfertigten die Entscheidung für die Mehrwertsteuererhöhung. Ohne diese seien die Lohnnebenkosten nicht zu senken. »Wir haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht«, sagte sie. Sie kündigte an, dass eine unionsgeführte Bundesregierung Deutschland innerhalb von zehn Jahren wieder »unter die ersten drei Nationen in Europa« führen wolle. Die Union wolle alles daran setzen, noch vor dem voraussichtlichen Ende der neuen Legislaturperiode 2009 die Maastricht-Kriterien über die Staatsverschuldung zu erfüllen. Stoiber kündigte auch an, dass 2013 ein Haushalt ohne Neuverschuldung vorgelegt werden solle.
Vor allem die beabsichtigte Mehrwertsteuererhöhung rief viele Kritiker auf den Plan, hauptsächlich aus den Reihen des potenziellen Koalitionspartners FDP. Vorsitzender Guido Westerwelle sagte, »es wird in einer schwarz-gelben Koalition noch ein hartes Stück Arbeit, die Union auf den Pfad der marktwirtschaftlichen Vernunft zurück zu bringen.«
Die IG Metall hat auch die geplante Einschränkung des Kündigungsschutzes als »Generalangriff auf Arbeitnehmerrechte kritisiert«. Der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) meinte, die Steuererhöhung wirke sich in jedem Fall negativ auf den Konsum aus.
Mehrere Politiker der Union verteidigten den Plan. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer sei die notwendige Voraussetzung für Reformen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, sagten die CDU- Ministerpräsidenten Christian Wulff und Jürgen Rüttgers.
Am Abend erklärte Merkel, dass sie zu einem Fernseh-Duell mit Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) bereit sei. »Ich bin mir ganz sicher, dass unsere Argumente tragen«, sagte sie dem Sender Sat 1. Schröder hatte seine Bereitschaft zu einer TV-Diskussion bereits vor einer knappen Woche erklärt.
Seite 2: Thema des Tages

Artikel vom 12.07.2005