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Osterloh will »gläserne Kasse«

Neuer VW-Betriebsratschef gegen Pauschal-Etat für Spesen

Wolfsburg (dpa). Nach den Verdächtigungen von Korruption und Spesenbetrug bei Volkswagen hat der neue Betriebsratschef Bernd Osterloh eine »gläserne Kasse« angekündigt. Einen Pauschal-Etat für Spesen werde es bei ihm nicht geben, sagte Osterloh der »Bild am Sonntag«. Über das Rücktrittsangebot des VW-Personalvorstands Peter Hartz vom Freitag will das Präsidium des Aufsichtsrats möglicherweise morgen beraten.

Der Termin müsse aber noch abgestimmt werden, sagte ein Unternehmenssprecher gestern. Der 63-jährige Hartz, dessen Name mit Arbeitsmarktreformen untrennbar verbunden ist, hat laut VW die politische Verantwortung für die Unregelmäßigkeiten einzelner Mitarbeiter übernommen. Unterdessen zieht die Affäre Kreise bis nach Indien (siehe Bericht unten).
Osterloh forderte, das Unternehmen müsse sich nun wieder auf seine eigentlichen Arbeit konzentrieren. VW habe »einen nachweisbaren Modernisierungsrückstand« und ein »Kostenproblem«. Zugleich lobte er den neuen VW-Markenchef Wolfgang Bernhard. Dessen Dynamik begeistere ihn, sagte Osterloh. Bernhard sagte dem »Spiegel«, seine Aufgabe, die Kosten des Autobauers drastisch zu senken, sei jetzt noch schwieriger geworden: »Wir müssen erkennen, dass wir massive Probleme haben, die wir sofort anpacken müssen.«
Konzernchef Bernd Pischetsrieder bekräftigte der »Bild«-Zeitung: »In dieser schwierigen Situation für VW sehe ich meine Aufgabe darin, alle Vorgänge lückenlos aufzuklären und jeden, der dem Unternehmen geschadet hat, zur Rechenschaft zu ziehen.« Möglicherweise seien Spesengelder nicht korrekt abgerechnet worden. Der Schaden könne im sechsstelligen Bereich liegen.
IG-Metall-Chef und VW-Aufsichtsrat Jürgen Peters strebt eine rasche Lösung der Hartz-Nachfolge an. Das Präsidium werde »schnell eine außerordentliche Sitzung des Aufsichtsrates einberufen«, sagte er der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung«. Der Aufsichtsrat kann auch im Umlaufverfahren über eine Neubesetzung entscheiden. Ex-Betriebsratschef Klaus Volkert, werde sein Mandat im Aufsichtsrat abgeben, sagte Peters. Osterloh hat bereits ein Mandat im Gremium.
Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt gegen den früheren Skoda-Personalvorstand Helmuth Schuster und dessen früheren Mitarbeiter Klaus-Joachim Gebauer wegen Betrugs und Untreue. Beide sollen Gelder, die eigentlich Volkswagen oder der tschechischen Tochter Skoda zustanden, über ein Geflecht von Tarnfirmen auf eigene Konten umgeleitet haben.
»Wir haben ja inzwischen eine ganze Fülle verschiedener Sachverhalte, die wir alle abarbeiten wollen«, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft am Samstag. »Es ist nicht auszuschließen, dass die Ermittlungen im Laufe der Zeit auch auf andere Personen ausgedehnt werden.«
Hartz steht nach derzeitiger Faktenlage mit der eigentlichen Schmiergeld-Affäre nicht in Verbindung. Mit seinem Rücktrittsangebot übernahm er nach eigenen Angaben die Verantwortung für die Unregelmäßigkeiten einzelner Mitarbeiter.
Klaus Nieding von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) sagte der »Bild am Sonntag«, Hartz könne mit einer Abfindung in Millionenhöhe rechnen.

Artikel vom 11.07.2005