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Gedämpfte Stille am Tag danach

Rückkehr zur Routine

Von Gideon Long
und Richard Hubbard
London (Reuters). Es war die gedämpfte Stille in den Straßen Londons, die am Tag nach den Anschlägen auffiel.

Zwar waren die zentralen Wege in die Stadtmitte verstopft wie sonst auch, die meisten U-Bahnen rollten wieder, Doppeldeckerbusse waren im Einsatz. Aber die Menschen schienen am Freitag geduldiger an den Haltestellen Schlange zu stehen. Drängelten weniger, sahen angespannt um sich.
Die U-Bahn-Nutzer huschten die Rolltreppen hinauf und hinunter. »Ich bin sehr nervös«, sagte Sylvia McRobbie, die vom Süden der britischen Hauptstadt in ihr Büro im Finanzviertel fuhr. »Hätte ich heute daheim bleiben können, ich hätte es getan.« Wie der 58-Jährigen blieb auch anderen Berufspendlern meist gar nichts anderes übrig, als wie gewohnt in die U-Bahn zu steigen.
Zwischenzeitlich sorgten die Schließungen einiger Stationen für Unruhe. Mitreisende wurden argwöhnisch betrachtet, ebenso wie Taschen und Rucksäcke. »Mehr können wir nicht tun - wir können über verdächtiges Gepäck Bericht erstatten und Vorsichtsmaßnahmen treffen, aber letztlich müssen wir zur Arbeit gehen«, sagte der 56 Jahre alte Moses Abaju.
Er wartete im Nordosten Londons auf einen Bus mit der Nummer 30. In einem Doppeldecker der gleichen Linie war am Vortag ein Sprengsatz explodiert. »Das war natürlich schrecklich, aber ich werde mich weiter so verhalten wie bisher, und ich denke, dem Rest Londons geht es genauso«, sagte Abaju.
Dieser Trotz, die stoische Ruhe ist in Großbritannien als »Geist von Dünkirchen« bekannt - ein Begriff, der im Zweiten Weltkrieg nach einer schmerzhaften Niederlage der britischen Truppen im niederländischen Dünkirchen und dann während der Bombardierung Londons und anderer britischer Industriestädte geprägt wurde.

Artikel vom 09.07.2005