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Leitartikel
Deutschland bedroht

Kleinreden ist Pfeifen
im Walde


Von Reinhard Brockmann
»Na gut, Schröder hat Deutschland aus dem Irakkrieg herausgehalten und nichts zu befürchten!«
Und: »Schau'n mer mal, ob der Terror von London dem Kanzler nicht doch noch den Kopf rettet.«

So simpel darf die neue Debatte um die innere Sicherheit nach den verheerenden Anschlägen in Großbritannien nicht laufen. Auch die Auseinandersetzung der Opposition mit Rot-Grün kann und darf nicht aus taktischen Gründen entlang der oben formulierten Simpel-Linie geführt werden.
Die Selbstbezichtigung El Kaidas vom Donnerstag nennt ausdrücklich Irak und Afghanistan in einem Atemzug als die Länder, aus denen sich die G8, und damit auch Deutschland, tunlichst heraushalten sollen.
Auch ohne direkte Präsenz im Irak ist Deutschland dabei. Die Bundesrepublik beteiligt sich an der ISAF-Mission in Afghanistan mit bis zu 2250 Bundeswehrsoldaten. Davon können bis zu 450 Soldaten in Kundus und FaisabadĂŠeingesetzt werden.
Im Kampf gegen den internationalen Terrorismus, und damit ist seit dem 11. September 2001 vor allem der militante Islamismus gemeint, ist Deutschland dabei. Das Unternehmen trägt den von George W. Bush persönlich ausgerufenen Titel »Operation Enduring Freedom«. Insgesamt geht es dabei sogar um 3900 deutsche Soldaten. Es ist unsere Marine, die am Horn von Afrika Osama bin Laden und seinen Kämpfern den Seeweg verstellt.
Und: In Afghanistan toben derzeit der härtesten Kämpfe seit der Vertreibung der Taliban Ende 2001 aus der Hauptstadt Kabul.
Hierzulande wird stets fein unterschieden zwischen den Kampf-einsätzen der US-Truppen im Süden und den entwicklungspolitischen Aufgaben unserer Soldaten in Wiederaufbauteams. Kaum anzunehmen, dass Leute vom Schlage der Bombenleger in London bei der Auswahl ihrer Hass-Ziele solchen Feinheiten deutscher Sprachregelung folgen.
Kurzum: Deutschland ist für den internationalen Terror ein Angriffsziel ganz genau wie die USA, Spanien oder Großbritannien. Es gibt keine Abstufung, alles Kleinreden der Gefahr wäre Pfeifen im Wald.
Weder die Union kann aus der neuen Bedrohung Deutschland im Ernst irgendwelche Wahlkampfvorteile herausschlagen noch die Regierung. Innenminister Otto Schily stünde bei einer Kursänderung genauso entlarvt da, wie Schröder beim rhetorischen Rückzug aus der Agenda 2010.
Des Kanzlers Mann für innere Sicherheit hat in den vergangenen Jahren verschärft, was eben noch mit den Grünen zu verschärfen war. Bayerns Innenminister Günther Beckstein gelang es selten, Schily einmal rechts zu überholen. Es klingt wie Schröder bei der Vertrauensfrage, wenn der gleiche Bundesinnenminister jetzt auf einmal überlegt, »ob die militärischen Operationen nicht in eine Lage hineingeführt haben, in der der Terrorismus eher zugenommen als abgenommen hat«.
Otto Wendehals? Man glaubt es nicht wirklich!

Artikel vom 09.07.2005