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Das Geheimnis einer langen Karriere

Der schwedische Tenor Nicolai Gedda wird am Montag 80 Jahre alt

Von Thomas Strünkelnberg
Hamburg (dpa). Es war 1952, als der mächtige Schallplatten-Produzent Walter Legge an Herbert von Karajan und den Intendanten der Mailänder Scala, Antonio Ghiringelli, telegrafierte: »Habe soeben den größten Mozart-Sänger meines Lebens gehört. Sein Name ist Nicolai Gedda.«
Der beste und vielseitigste Tenor des 20. Jahrhunderts: Nicolai Gedda.Foto: dpa

Tatsächlich wurde der vor allem in den 60er und 70er Jahren weltbekannte Tenor weniger zum Mozart-Sänger, dafür aber einer der besten und vielseitigsten lyrischen Tenöre des 20. Jahrhunderts. Noch bis vor wenigen Jahren beschworen seine Auftritte eine vergangene, glanzvolle Epoche des Singens. Am Montag wird der Schwede 80 Jahre alt.
Gedda gilt als Stimmwunder - noch mit mehr als 70 Jahren gab er Liederabende und riss sein Publikum zu Begeisterungsstürmen hin. In den 90er Jahren zog sich Gedda, der 1952 in Stockholm als Chapelou in Adams Oper »Le Postillon de Lonjumeau« debütiert hatte, von der Opernbühne zurück. Doch noch 1997 trat er in London in der winzigen Rolle des Patriarchen Abdisu von Assyrien aus Pfitzners »Palestrina« auf. Nach und nach wurde es stiller um den Tenor, der sich selbst als schüchtern bezeichnete.
Er hat seit den 50er Jahren an der Mailänder Scala, der Covent Garden Opera in London und der Metropolitan Opera in New York gesungen. Auch bei den Festspielen in Aix-en-Provence, Salzburg sowie an Opernhäusern in aller Welt feierte er Triumphe. Vor allem als Interpret im französischen und russischen Fach, aber auch mit italienischen Partien und als Liedersänger begeisterte er. Als »Poet unter den Tenören« wurde er gefeier.
Abgesehen von den schweren Wagner- und Verdi-Partien, die eine größere Stimme erfordern, sang Gedda so gut wie alles, was überhaupt für Tenöre geschrieben wurde. Dennoch war er, der sieben Sprachen fließend beherrscht, keineswegs wahllos, sondern eignete sich mühelos die verschiedenen Stile an. Seine Discografie - wohl die vielseitigste eines Tenors überhaupt - brachte ihm das Attribut »The World's Most Recorded Tenor« ein. Sein Repertoire umfasst 100 Opern und Operetten, 20 Oratorien und etwa 300 Lieder. Gedda hat mehr Raritäten im Angebot als beispielsweise Pavarotti Hauptrollen.
Der Sänger wurde in Stockholm geboren. Lange hieß es, er sei Kind eines russischen Vaters und einer schwedischen Mutter. Tatsächlich waren sie seine Adoptiveltern, stellte Gedda 1988 richtig. In Leipzig verbrachte er seine Kindheit. 1934 kehrte die Familie nach Schweden zurück. Nach dem Debüt verpflichtete Legge ihn für die vielgerühmte Aufnahme von Mussorgskys »Boris Godunow«. Dann begann die Karriere - Gedda sang mit Weltstars wie Maria Callas, Elisabeth Schwarzkopf und Victoria de los Angeles. Er wurde gefeiert in den Titelrollen von Offenbachs »Hoffmanns Erzählungen«, »Benvenuto Cellini« von Berlioz oder Gounods »Faust« sowie als Operettentenor.
Das Geheimnis seiner langen Karriere: Disziplin und das Wissen um die Grenzen der Stimme. Vor zu schweren Rollen in jungen Jahren und all zu vielen Auftritten hat er sich gehütet.

Artikel vom 09.07.2005