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Eltern drohen
zehn Tage Haft

Schulboykott seit fast zwei Jahren

Von Ernst-Wilhelm Pape
Paderborn (WB). Eltern, die ihre Kinder aus religiösen Gründen nicht zur Schule schicken, droht die Entziehung des Sorgerechtes. Das hat das Landgericht Paderborn erklärt.

Das Familiengericht prüfe derzeit in mehreren Fällen, ob Maßnahmen wegen missbräuchlicher Ausübung der elterlichen Sorge getroffen werden müssten, sagte der Vizepräsident des Landgerichtes, Wolf-Dietrich Frank, am Freitag dieser Zeitung. Die Übertragung des Sorgerechtes für die Kinder auf eine andere Person sei das letzte Mittel, um die Eltern zu bewegen, ihre Kinder wieder zur Grundschule zu schicken.
Wie berichtet, weigern sich sieben strenggläubige baptistische Elternpaare aus den Kreisen Paderborn und Höxter seit Monaten, ihre 16 Kinder zur Grundschule zu schicken. Die Eltern, die aus Kasachstan stammen, unterrichten ihre Mädchen und Jungen zu Hause. Gegen die Eltern laufen Bußgeldverfahren in Höhe von jeweils 500 Euro. Die Väter und Mütter weigern sich aber aus Glaubens- und Gewissensgründen, das Bußgeld zu bezahlen.
Anfang Juni war bereits vom Amtsgericht Paderborn gegen ein Elternpaar Erzwingungshaft von zehn Tagen angeordnet worden. Die Eltern haben nach Angaben der Staatsanwaltschaft ihren heute neun Jahre alten Sohn bereits seit dem 17. Oktober 2003 nicht mehr zur Grundschule geschickt.
Eine Beschwerde gegen die Anordnung wurde jetzt vom Landgericht verworfen. Zur Zeit müssen die Eltern ihre Haft aber noch nicht antreten, da ihnen angeboten wurde, das Bußgeld in monatlichen Raten von 25 Euro pro Person zu zahlen. Bleibe im August die erste Zahlung aus, werde die Staatsanwaltschaft eingeschaltet und die Eltern zum Antritt der Haft aufgefordert, sagte Frank.
Auch mit dem Antrag auf die Errichtung einer Ersatzschule sind die Schulverweigerer bisher gescheitert. Die Eltern hätten jetzt bis Ende August Zeit, ihren Antrag nachzubessern, sagte Oberregierungsrat Michael Fleischhauer von der Bezirksregierung in Detmold dieser Zeitung. Fleischhauer ist Dezernent für das Ersatzschulwesen. Die Lehrinhalte, die Ausbildung der beiden vorgeschlagenen Lehrer und die baulichen Voraussetzungen entsprächen nicht den Richtlinien für Ersatzgrundschulen. So hätten die Lehrer keine ausreichende Lehrbefähigung. Ferner sei als Unterrichtsraum ein Wohnzimmer vorgesehen gewesen. Die Hürden für Ersatzschulen seien sehr hoch, sagte Fleischhauer. Es müsse ein gleichwertiger Unterricht wie in staatlichen Schulen angeboten werden.
Der Antrag der Eltern sei auch abgelehnt worden, weil es in der Stadt Paderborn bereits eine evangelische Bekenntnisschule gebe. Die Eltern hätten somit die Möglichkeit, ihre Kinder an dieser Schule anzumelden.

Artikel vom 09.07.2005