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Wurm-Eier sollen gegen
Darmentzündungen helfen

Arzt-Patienten-Seminar des »Bauchzentrums«

Von Sabine Schulze
Bielefeld (WB). Was genau Morbus Crohn und Colitis ulcerosa, zwei chronisch entzündliche Darmerkrankungen, auslöst, ist noch unklar. »Eventuell sind die Krankheiten eine inadäquate Immunantwort des Körpers, man spricht auch oft vom 'Rheuma' des Magendarmtraktes«, sagt Prof. Dr. Siegfried-Ernst Miederer, Chefarzt der Medizinischen Klinik 1 am Ev. Krankenhaus Bielefeld/Johannesstift.

Gemeinsam mit dem Chirurgen Privatdozent Dr. Marc A. Reymond, Ev. Krankenhaus/Gilead 1, leitet er das so genannte »Bauchzentrum« des Krankenhauses. Ein erstes Arzt-Patienten-Seminar mit 140 Teilnehmern hat sich jetzt mit Naturheilkunde bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa befasst. Und auch auf die Psyche der Patienten wurde das Augenmerk gerichtet.
Beide Krankheiten gehen mit akuten Schüben einher, in denen der Patient heftige Schmerzen, Krämpfe, Fieber und blutige Stühle hat, in denen er bis zu 20mal am Tag auf die Toilette muss. Dann führt an der Schulmedizin, an der Therapie mit Cortison und Standardmedikamenten kein Weg vorbei. Und nicht selten ist auch eine Operation erforderlich: Weil es bei Morbus Crohn zur Verengung des Darms oder zu Fisteln kommt, weil bei der Colitis ulcerosa der Darm porös wird und womöglich Stuhl in den Bauchraum dringt oder weil es bösartige Veränderungen an der Schleimhaut des Dickdarms gibt. Wirklich heilbar ist keine der Erkrankungen - es sei denn, bei der Colitis ulcerosa wird der Dickdarm komplett entfernt.
Diskutiert wurden im Rahmen des Seminars aber auch Methoden der Naturheilkunde. »Gerade in den weniger aktiven Stadien der Krankheiten kommen sie zum Zuge«, betont Miederer. Schmerzen werden dann lokal mit subkutanem Quaddeln behandelt, viele Patienten berichteten von guten Erfahrungen mit Mistel und vor allem Weihrauch, der die Häufigkeit des Stuhlgangs reduziert und Krämpfe lindert.
Wichtig ist für die Betroffenen - immerhin 280 von einer Million Menschen - auch die richtige, vitaminreiche Ernährung und eine gesunde Lebensweise, um bei den häufigen Durchfällen Mangelerscheinungen zu vermeiden: »Zitrusfrüchte allerdings, zudem Blähendes, Kaffee, Nikotin und Alkohol sollte man weglassen.« In der akuten Phase der Krankheit, so Miederer, bekommen die Patienten hochkalorische, reichhaltige Astronautenkost, die zu 90 Prozent resorbiert wird und keinen Stuhl bildet - eine Erholung für den Darm.
Eine neue Therapie, bisher in den USA erprobt, soll jetzt auch in Deutschland mit Freiwilligen in einer Studie getestet werden: Wurm-Eier sollen es richten. Da die Darmentzündungen fast ausschließlich in hygienisch hochentwickelten Ländern auftreten und, so Miederer, in Indien oder der Türkei kaum bekannt sind, schlossen die Mediziner, dass häufigere Infekte einen gewissen Schutz zu bieten scheinen. Den Patienten werden daher die Eier vom Peitschenwurm, dessen Wirt eigentlich das Schwein ist, zu trinken gegeben. »Die Eier nisten sich im Schleim des Darm ein und aktivieren das Immunsystem. Schon nach wenigen Tagen werden sie schlicht wieder abgestoßen - und jeder zweite Patient erfährt binnen 25 Tagen eine deutliche Besserung.«

Artikel vom 11.07.2005