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»Da hüpfte mir das Herz«

Jörg Christoph Schaal überquerte die Alpen - auf dem Rennrad

Von Jörg Manthey
Bielefeld (WB). Es waren »Passionsspiele« der besonderen Art, die in Oberammergau ihren Anfang nahmen. Als TSVE-Triathlet Jörg-Christoph Schaal sieben Tage später, gezeichnet von den Anstrengungen und »mild ermüdet«, in voller Montur in den Gardasee hüpfte, hatte der 34-Jährige soeben die Alpen bezwungen - auf dem Rennrad! 785 Kilometer bei Hitze wie bei Schneeregen, 18 810 Höhenmeter, 17 Pässe - die 3. Jeantex-Tour-Transalp wurde ihrem Ruf als härteste Alpenüberquerung vollauf gerecht.

»Als am letzten Tag das Panorama mit dem glitzernden Gardasee ins Blickfeld kam, hat mir das Herz gehüpft«, schwärmt Schaal von einem »beeindruckenden Naturerlebnis mit lauter Gleichgesinnten«. Um korrigierend nachzulegen: »Gleichbekloppten«.
Es war ein lockeres, ungezwungenes Miteinander im Peloton. 500 Zweiercrews aus 20 Nationen nahmen den extrem Käfte zehrenden Etappenmarathon - Übersicht siehe unten - in Angriff. Schaal und sein Mountainbike-Trainingspartner Dirk Holle (36) aus Halle tauften sich vielsagend »Paintrainer.de«.
»Radfahren, Essen, Schlafen. Das war mal was ganz Neues für mich. Dirk war routinierter bei den Abfahrten, ich kam die Berge besser hoch. Irgendwann hatten wir uns auf einem Level stabilisiert und unseren Rhythmus gefunden«, berichtet Jörg-Christoph Schaal. Genächtigt wurde in einem Wohnmobil, das Holles Bruder lenkte. Zwölf italienische Polizisten und acht »Marshalls« auf Motorrädern sperrten bei Bedarf die Straßen; sorgten so - ebenso wie die täglichen Pasta-Partys - für Tour de France-Charakter.
Dunkle Tunnelpassagen und Schlaglöcher im Asphalt forderten die volle Konzentration der Fahrer; für Schaal »ein kalkulierbares Risiko«. Ein achtköpfiges Ärzteteam war bei Stürzen schnell zur Stelle. Nur 37 Teilnehmer gaben auf. Die ärgsten Probleme traten beim Bielefelder am vierten Tag auf den Schlusskilometern der nicht enden wollenden »Königsetappe« von Scuol nach Pontresina auf. »Die hatte ich in der Vorbereitung vom Streckenprofil anders im Kopf. Ich hatte mich völlig verschätzt. Das Ziel wollte und wollte nicht auftauchen«. Die teils eisigen Temperaturen mit tauben Händen und Zehen samt Regen konnten ihm weniger anhaben.
Dass Schaal/Holle im Gesamtklassement stetig kletterten und am Ende mit 5:42,64 Stunden Rückstand auf die Sieger Malte Urban/Jens Schwedler 131. wurden, bezeichnet der Triathlet als »zweit- bis drittrangig«. Vor den Profis zog er freilich den Hut. »Die sind die gleiche anspruchsvolle Strecke gefahren wie wir, unter den gleichen Bedingungen, und haben uns jeden Tag fast eine Stunde abgenommen. Respekt«.
Im Ziel gönnte der Bielefelder sich eine sündige Portion Pommes; allerdings ohne halbes Hähnchen. »Fleisch esse ich nicht«. Die Mountainbike-Transalp 2006 hat Schaal im Geiste schon gebucht.
Wer übrigens die Internet-Adresse www.paintrainer.de eingibt, dem springt bloß ein großes schwarzes AUA auf rotem Grund ins Auge. »Auf dem Rad redet man viel Blödsinn«, schmunzelt Schaal. »Wir haben rumgeflachst, dass wir schmerzorientiert trainieren. Nur wenn's ordentlich weh tut, ist's einigermaßen richtig«, erläutert er den Teamnamen. Wie gesagt, ein Witz. Wie das Gros der Schwimmradläufer orientiert sich Jörg-Christoph Schaal an Lehrbüchern.
Am 7. August wird es wieder schmerzhaft. Dann bestreitet der zähe Krankenpfleger (Gilead I) in Glücksburg seinen zweiten »OstseeMan« und zugleich zweiten Triathlon über die Ironman-Distanzen von 8,8 km Schwimmen, 180 km Radfahren und 42,195 km Laufen. »Danach nehme ich Abstand von der Langdistanz. Der abschließende Marathon ist einfach nichts für mich. Den bewältige ich nur zu Fuß; Laufen kann man das nicht nennen«.

Artikel vom 12.07.2005