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Ein Fest nur fürs Auge

Opernspektakel »Turandot« zieht 25 000 Besucher an

Gelsenkirchen (dpa). Mit der gigantischen Puccini-Oper »Turandot« in Gelsenkirchen hat sich die Fußballarena Auf Schalke am Samstagabend zur Verbotenen Stadt gewandelt. Das mehrstündige Spektakel in der faszinierenden Kulisse des detailgetreu nachgebauten Kaiserpalastes von Peking zog gut 25 000 Zuschauer an.

Die Inszenierung mit 580 Darstellern und einem Orchester auf der 143 Meter breiten und 42 Meter tiefen Bühne hat der chinesische Filmregisseur Zhang Yimou (»Rote Laterne«) farbenprächtig und mit hinreißenden Kostümen in Szene gesetzt. Doch die monumentale Inszenierung begeisterte fast ausschließlich das Auge der Zuschauer, die viel Beifall spendeten. Der Hörgenuss in dem riesigen Stadionrund mit zugezogenem Dach hielt sich in Grenzen.
Die Stimmen der Solisten gingen im Nachhall und der schlechten Akustik des Riesenstadions unter. Und wer auf den mittleren oder hinteren Rängen der Riesenarena Platz genommen hatte, der konnte mit bloßem Auge auch nicht viel erkennen. Auch das riesige Orchester unter Leitung von Dirigent Janos Acs hatte Probleme, musikalisch zu überzeugen und wurde oft von den Solisten übertönt.
Es triumphierten die grellen Orchesterfarben über die feinen, subtilen und für Puccini typischen Klänge, die zudem noch im Arenarund widerhallten. Gelsenkirchen war nach Peking, Seoul, Paris und München die fünfte Station der angeblich größten Opernproduktion aller Zeiten.
Der Direktor der Wiener Staatsoper, Ioan Holender, sieht spektakuläre Opern-Aufführungen wie »Turandot« skeptisch. »Die Oper braucht das Spektakel nicht«, sagte der Kulturmanager in Wien: »Die Globalisierung und reine Kapitalisierung mit ihren Gesetzen will auch hier einfach nur Geld machen.« Die Ansicht, mit solchen Inszenierungen würden auch Menschen für die Oper gewonnen, die sich für diese Kunst sonst nicht interessieren, teilt Holender nicht: »Das Gesamtkunstwerk Oper hält sich seit 400 Jahren und hat seine begeisterten Anhänger. Immer wieder beweist man, dass man mit erschreckend niedrigem Niveau und viel Werbung mit der Oper Geld verdienen kann. Aber durch optischen Reichtum tut man der Gattung nichts Gutes.«
»Idiotisch« findet der Direktor die Tendenz, Künstler und Prominente aus anderen Bereichen für die Opernregie zu gewinnen: »Regie zu führen, ist ein Beruf. Er setzt bestimmtes Wissen voraus. Ich glaube nicht, dass ein Dichter oder ein Filmregisseur dieses Können mitbringt.«
Gleichzeitig lehnt Holender intellektuelle Kunst ab. »Das Theater und die Oper erzählen eine Geschichte, auf die der Mensch neugierig ist.« Wenn die Zuschauer nicht mehr verstünden, worum es geht, blieben sie aus. Holender: »Wir dürfen Inszenierungen nicht nur für jene machen, die ein Werk schon x-mal gesehen haben.«

Artikel vom 11.07.2005