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Leitartikel
Masterplan fehlt

Hallenbäder,
Steuergräber, Flughäfen


Von Reinhard Brockmann
Was haben Lagerlechfeld, Memmingerberg, Neuhardenberg, Cochstedt und Jagel gemein? Genau wie Weeze und Calden verbindet sie der Traum von einer Zukunft als europaweit eingebundener Flughafen, der Mallorca-Urlauber, Steuergelder und Jobs garantiert. Politiker sprechen gern davon, »in die Fläche« zu gehen, und versprechen damit Wunderwerke in der Provinz.
Gestern hat die Lufthansa gemeinsam mit dem Verband der Nicht-Billig-Flieger »Barig« in Warburg eine Pressekonferenz veranstaltet und Stellung gegen den Wildwuchs kleiner Airports zulasten der Großen bezogen. Der Standort war klug gewählt, gut 40 Kilometer Luftlinie östlich von Paderborn-Lippstadt und gerade 16 Kilometer westlich des in der Planung befindlichen Flughafens Kassel-Calden.
Man könnte das für Interessenpolitik halten, ein wenig zugunsten von Paderborn, vor allem aber zum Vorteil der Mega-Airports, die nicht eine Krume vom großen Kuchen abgeben wollen.
Weit gefehlt: Aus Paderborner Sicht wäre die Veranstaltung in Kassel sinnvoller gewesen und aus der Perspektive der Lufthanseaten ist es gleichgültig, wo sie für den längst fälligen »Masterplan Flughäfen« werben. Sie finden derzeit nirgendwo Gehör - weder in Berlin noch in der Provinz.
Die Politik hat sich die kleinen Flughäfen als Jobmaschine und Wahlkampfknüller auf die Fahnen geschrieben. Von Überkapazitäten, roten Zahlen und ersten Pleiten will keiner etwas hören. Das läuft so, wie in früheren Jahren Bürgermeister und Landräte solange Hallenbäder, Stadthallen und Messezentren mit Steuergeldern bauten, bis sie von den Folgekosten und ihren Nachfolgern zumindest im übertragenen Sinne erschlagen wurden.
Der Bundesverkehrswegeplan, in dem ansonsten jeder neue Autobahnkilometer in heiß diskutierten Bedarfsgruppen rauf- und runtergestuft wird, ist in Sachen Luftverkehr unbrauchbar. Auch die seit gut einem Jahr um Besserung bemühte »Initiative Luftverkehr« listet lediglich die acht großen und einige Dutzend weitere Airports auf. Kassel-Calden wird dort übrigens nicht erwähnt. Aber auch dieses Papier wird unerheblich, wenn Leute wie Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) und Allzweckminister Karlheinz Weimar ihr politisches Schicksal an ein Prestigeobjekt wie Calden geknüpft haben.
Es ist kaum damit zu rechen, dass eine neue Bundesregierung den Ländern und Kreisen stärker in die Planung reinredet, als das heute der Fall ist. In der Tat will auch auf Seiten der Industrie niemand eine neue Planwirtschaft. Aber auf der Suche nach der Vernunft, nach dem verantwortlichen Blick aufs Ganze stehen alle Beteiligten inzwischen ratlos da.
Ganz offenbar reicht es aber nicht darauf zu hoffen, dass die Finanznot den Projekten von selbst die Luft ausgehen lässt. Denn angesichts der Zahlungsunfähigkeit allein der Stadt Kassel hätte diese ihre Millionenzusagen längst sterben lassen müssen.
Kurzum: Es fehlt die ordnende Hand und ohne Master kein Plan.

Artikel vom 13.07.2005