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Bombenterror in London:
37 Menschen ermordet

l Anschläge auf Bus und U-Bahn l Al-Kaida bekennt sich l G8-Gipfel zeigt Stärke

London (WB). Al-Kaida erklärt den G8-Staaten den Krieg. Mit verheerenden Bombenanschlägen säten Terroristen gestern in London Chaos und Tod. Im Visier: die mächtigsten Männer der Welt. Blair erschüttert: »Ein besonders barbarischer Akt.«

Bei Explosionen in drei U-Bahnen und einem Bus starben nach Polizeiangaben mindestens 37 Menschen, 700 wurden nach vorläufigen Angaben verletzt.
In der Metropole, die am Vortag noch über den Zuschlag für die Olympischen Spiele 2012 gejubelt hatte, brach Chaos aus. Der britische Premier Tony Blair, Gastgeber des G8-Gipfels im schottischen Gleneagles, reiste umgehend nach London zurück.
In einem Internetforum radikaler Islamisten tauchte die Selbstbezichtigung einer »Geheimgruppe des Dschihad der Al-Kaida in Europa« auf. Darin hieß es, die Anschläge sollten die britische »Kreuzfahrer-Regierung« wegen ihres Truppeneinsatzes in Afghanistan und im Irak treffen.
Die Welt zeigte sich entsetzt. Wie US-Präsident George W. Bush reagierte Bundeskanzler Gerhard Schröder tief bestürzt und nannte die Anschläge »heimtückisch«. Papst Benedikt XVI. sprach den Angehörigen der Opfer sein Beileid aus und nannte die Attentate eine »unmenschliche und unchristliche Handlung«. Der Koordinierungsrat der Vereinigungen des christlich-islamischen Dialoges in Deutschland erklärte: »Als Muslime in Deutschland und Europa haben wir es satt, dass vermeintliche Glaubensbrüder seit nahezu vier Jahren Unheil und Schrecken unter den Menschen verbreiten«.
Während Blair nach London flog, ging der G8-Gipfel im schottischen Gleneagles weiter - zum Zeichen, dass Terroristen die Demokratie nicht bedrohen können.
Die Explosionen in der britischen Metropole ereigneten sich gegen 9.00 Uhr Ortszeit (10.00 MESZ) in einer U-Bahn zwischen den Stationen Aldgate East und Liverpool Street, einer zwischen Russel Square und Kings Cross sowie einer nahe der Station Edgware Road. Möglicherweise verfrüht war eine Bombe in einem Doppeldeckerbus gezündet worden. Sicherheitsexperten schließen nicht aus, dass die explosive Fracht einer vierten Linie galt.
Die Londoner U-Bahn, mit der jeden Tag drei Millionen Menschen reisen, wurde vorübergehend stillgelegt. Später kam auch der gesamte Zug- und Busverkehr zum Erliegen. Bahnhöfe wurden evakuiert, Notärzte versorgten Verletzte. Vor dem Buckingham-Palast, auf dem halbmast geflaggt wurde, zogen Soldaten auf. Bis zum Nachmittag wurden alle Insassen der Züge aus den Tunneln befreit. Busse rollten wieder durchs Stadtzentrum. Am Abend konnten die ersten U-Bahnlinien den Betrieb wieder aufnehmen.
Scotland Yard und Bürgermeister Ken Livingstone hatten in den vergangenen Jahren immer wieder gesagt, ein großer Terroranschlag in London sei »unvermeidlich« und »nur eine Frage der Zeit«. Der Chef der britischen Terrorabwehr und mehrere Terrorexperten sagten, die Anschläge trügen die Handschrift von Al-Kaida. Sie erinnerten an die Bombenanschläge auf vier Nahverkehrszüge in Madrid, bei denen am 11. März vergangenen Jahres 191 Menschen ums Leben gekommen und mehr als 1500 verletzt worden waren.
Den europäischen Börsen versetzten die Anschläge einen Schock. Die Kurse fielen vorübergehend, erholten sich aber schnell wieder. Vor allem Reise- und Versicherungsaktien standen schwer unter Druck. Die Ölpreise sanken, weil die Anschläge die Reiselust bremsen und den Konsum dämpfen könnten. Reiseveranstalter boten Umbuchungen an. Viele Länder verschärften umgehend ihre Sicherheitsmaßnahmen. In den U-Bahnen von New York und Washington waren zusätzliche Sicherheitskräfte im Einsatz, weitere Bewachungskameras wurden aktiviert. In Spanien wurden Flug- und Seehäfen, Bahnhöfe sowie Kraftwerke, Erdölraffinerien und Staudämme stärker kontrolliert. Viele europäische Großstädte versetzten die Sicherheitskräfte in Alarmbereitschaft.
Die deutschen Behörden erhöhten besonders den Schutz für britische und amerikanische Einrichtungen. Die internationale Polizeiorganisation Interpol sicherte ihre »volle Mitarbeit« bei der Aufklärung zu.
Blair bezeichnete es als »besonders barbarisch«, dass die Terroristen zugeschlagen hätten, während die Staats- und Regierungschefs der G8 in Schottland über Afrikahilfe und Klimaschutz gesprochen hätten. Aber auch mit »Tod und Zerstörung« könnten die Terroristen Großbritannien und die anderen Demokratien nicht davon abhalten, ihre Werte zu verteidigen: »Wir sind entschlossen, dass es ihnen niemals gelingt, das zu zerstören, was uns lieb ist.«

Artikel vom 08.07.2005