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»Die Bilder ähneln sich auf fatale Weise«

Anschläge in London wecken schlimme Erinnerungen an den 11. März 2004 in Madrid


Von Jörg Vogelsänger
Madrid (dpa). Die Nachrichten aus London haben in Spanien böse Erinnerungen geweckt. Vor allem in Madrid, das vor 16 Monaten das Ziel islamistischer Terroristen wurde, lief es den Menschen gestern eiskalt über den Rücken. »Der Vergleich ist unvermeidbar. Die Bilder ähneln sich auf fatale Weise!«, entfuhr es einem Madrilenen im Rundfunk. Die Handschrift der Terroristen sei die gleiche. Auch auf der Straße reagierten die Menschen schockiert. »Das ist furchtbar, wir sind nirgendwo mehr sicher«, sagte eine ältere Frau. Die spanische Regierung verschärfte umgehend die Sicherheitsvorkehrungen im Lande. »Die Leiden der Briten heute kennen wir gut«, sagte Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero bestürzt.
Auch Madrid wurde an jenem 11. März 2004 im morgendlichen Berufsverkehr getroffen. Bei der ersten Explosion um 7.39 Uhr herrschte zunächst ebenfalls Ratlosigkeit über das Geschehene, doch schon bald wurde klar, dass es ein Terrorangriff gewesen war. Im Abstand von nur drei Minuten waren nahezu synchron in vier Nahverkehrszügen zehn Bomben explodiert. Sie waren in Rucksäcken versteckt. Die Zahl der Opfer stieg stündlich. 191 Tote und mehr als 1500 Verletzte lautete schließlich die traurige Bilanz.
Die Täter, von denen sich sieben drei Wochen später bei einem Polizeieinsatz selbst in die Luft sprengten, lebten den Ermittlungen zufolge größtenteils als unbescholtene Bürger seit Jahren in Spanien. Sie wurden der Islamistischen Gruppe Marokkanischer Kämpfer (GICM) zugeordnet, die wiederum zu dem Dunstkreis des Terrornetzwerks Al-Kaida gezählt wird. Das Motiv der Bombenleger war laut Ermittlungsrichter Juan del Olmo unter anderem die Haltung der damaligen konservativen Regierung im Irak-Krieg gewesen. Ministerpräsident José María Aznar war einer der engsten Verbündeten von US-Präsident George W. Bush gewesen - und vom britischen Premier Tony Blair.
Nach Überzeugung Aznars wollten die Urheber auch einen Regierungswechsel herbeiführen. Bei der Parlamentswahl drei Tage später hatten überraschend die Sozialisten gewonnen.
Zwar sind seither mehr als 90 mutmaßliche Islamisten in Spanien gefasst worden. Doch nach dem Drahtzieher des 11. März 2004 wird immer noch gefahndet.

Artikel vom 08.07.2005