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Winokurow holt auf

Massensturz in der Zielkurve: Bernucci kommt durch

Nancy (dpa). Lance Armstrong fährt im Gelben Trikot nach Deutschland, obwohl er gestern in einem turbulenten Finale Sekunden einbüßte. Nach 199 Kilometern schlug im Ziel der sechsten Etappe der 92. Tour de France in Nancy nicht wie erwartet die Stunde der Sprinter.

Sie kamen durch einen Sturz auf regennasser Straße 800 Meter vor dem Ziel ebenso wie Armstrong aus dem Tritt. Von dem Zwischenfall profitierte nicht nur Etappensieger Lorenzo Bernucci aus Italien, sondern auch der zweitplatzierte Alexander Winokurow.
Der T-Mobile-Profi aus Kasachstan machte inklusive Zeitgutschrift 19 Sekunden auf Armstrong gut liegt jetzt im Gesamtklassement auf Rang drei nur noch 1:02 Minuten hinter dem Titelverteidiger. Dafür war eine Jury-Entscheidung nötig, die die Folgen des Sturzes in Rechnung stellte. »In diesem heiklen Finale Winokurow nachzusetzen, wäre zu gefährlich gewesen«, erklärte Discovery-Sprecher Jörg Müller Armstrongs Passivität auf den letzten zwei Kilometern.
Bernucci holte sich seinen ersten Tagessieg vor Winokurow und sieben Sekunden vor dem ersten Teil des Feldes, das Robert Förster (Markkleeberg) vom Team Gerolsteiner als Drittplatzierter über die Ziellinie führte. Der Ausreißer Christophe Mengin war der große Pechvogel, als er in der letzten Kurve vor dem Zielstrich stürzte und damit das überraschende Ende in die Wege leitete.
Der Franzose trug ein stark geschwollenes Auge davon und weinte im Ziel bitterlich. »Wäre ich in der Kurve nicht aus der Pedale gerutscht, hätte ich gewonnen«, sagte Winokurow, der vor dem Unfall etwa zehn Meter hinter Mengin fuhr, der als Stärkster einer fünfköpfigen Ausreißergruppe am längsten widerstanden hatte.
Im Gesamtklassement gab es vor der Fahrt nach Karlsruhe - die Tour-Karawane passiert bei Wintersdorf die Grenze - geringfügige Veränderungen, die erst per Jury-Entscheid festgelegt wurden: Jan Ullrich, der vor dem 24-stündigen Heimspiel in Baden weiter Optimismus verbreitet, liegt unverändert 1:36 Minuten hinter dem Rekordsieger aus Texas.
Die Stunde des angriffslustigen Jens Voigt, von dem schon gestern eine Attacke erwartet wurde, könnte morgen auf der Fahrt von Pforzheim nach Gerardmer schlagen. Das Streckenprofil mit fünf leichteren Anstiegen dürfte ihm besonders liegen. 2001 hatte der bisher erfolgreichste deutsche Radprofi in diesem Jahr auf ähnlichem Terrain in Pontarlier für einen Tag das Gelbe Trikot geholt. Auf dem Weg nach Karlsruhe dürften morgen wieder die Sprinter gefordert sein.
Gestern hatte sich nach 30 Kilometern eine fünfköpfige Ausreißer-Gruppe gebildet, die lange dem Regen und den widrigen Bedingungen trotzte. Wie an den Vortagen hatten die Flüchtlinge aber wenig Glück. »Wir wussten, dass es auf den letzten Kilometern gefährlich wird. Deshalb war ich konsequent vorne. Ich freue mich wahnsinnig für 'Wino' - das ist gut fürs Team«, sagte Ullrich.
Besonders wehmütig dürfte der vom T-Mobile-Team zum ersten Mal seit elf Jahren nicht nominierte Erik Zabel nach Frankreich geblickt haben. Er wird am letzten Tour-Wochenende als Co-Kommentator bei der ARD auftreten.

Artikel vom 08.07.2005