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Schwerste Vorwürfe
gegen Strafverteidiger

Staatsanwälte: Falschaussage in Kanzlei abgesprochen

Von Uwe Koch
Bielefeld (uko). Der Strafprozess um 54 Korruptionsfälle beim Bau von »Marktkauf«-Niederlassungen ist am Mittwoch zu einer Plattform schwerster Angriffe gegen die Verteidigung geworden. Die Staatsanwälte Dr. Thomas Funcke und Ralf Günther beschuldigten Rechtsanwalt Mirko Roßkamp offen, in seiner Kanzlei sei in seinem Beisein eine Falschaussage abgesprochen worden.

Vor der 1. Großen Strafkammer wird seit einem Monat gegen den 54-jährigen Ingenieur Klaus B. wegen gewerbsmäßiger Bestechlichkeit, Betruges und Untreue verhandelt. Funcke und Günther forderten am Mittwoch in ihren Schlussvorträgen die Verhängung einer vierjährigen Freiheitsstrafe.
In den Jahren 1998 bis 2002 hatten die beiden Bielefelder Betriebe des Diplom-Ingenieurs, IBB GmbH und BGS Gebäude Service, den Hauptanteil der Bauplanung für Immobilien der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucher (AVA). Sofern Lebensmittelmärkte oder Baumärkte für die »Marktkauf«-Kette neu errichtet oder modernisiert wurden, waren die Firmen von Klaus B. federführend. In seinen Baubüros liefen die Fäden für die Auftragsvergaben zusammen.
Nach Ansicht der Staatsanwälte gab sich Klaus B. mit dieser Abwicklung nicht zufrieden. Während er die Ausschreibungen für verschiedene Gewerke durchführte, bevorzugte er bestimmte Firmen auf der Bieterliste mit der Vergabe der Arbeiten. Voraussetzung allerdings war die Zahlung einer Provision an ihn. Diese Zahlungen waren bei drei Prozent der Auftragssumme zementiert. So soll ein Gesamtschaden in Höhe von 438 146 Mark entstanden sein. Klaus B. hingegen habe sogar Schmiergelder in Höhe von eine Million Mark vereinnahmt
Kernpunkt der Vorwürfe gegen Rechtsanwalt Roßkamp sind Vorfälle aus dem Jahr 2003. So sei ein anderer Beschuldigter, Prokurist Heinz-Werner H. (55), damals in die Kanzlei des Rechtsanwalts eingeladen worden sein, wo im Vorfeld seiner Vernehmung bei der Staatsanwaltschaft eine Falschaussage abgesprochen worden sei. H. hatte diese Version, so erklärte Günther gestern, zunächst auch ausgesagt. Als er indes von der zwischenzeitlichen Festnahme des Ingenieurs Klaus B. erfahren habe, habe er seine Aussage korrigiert und »reinen Tisch gemacht«.
Klaus-Werner H., der mittlerweile zu einer eineinhalbjährigen Bewährungsstrafe verurteilt wurden, hat diese Vorgänge bestätigt. Er hatte jetzt auch als Zeuge im Verfahren gegen Klaus B. ausgesagt.
Obendrein war der dritte Beschuldigte, der Bielefelder Heizungs- und Sanitärunternehmer S., im Lauf des Ermittlungsverfahrens bedrängt worden, seinen Rechtsanwalt zu wechseln. S., der vom Paderborner Verteidiger Dieter Cramer vertreten wurde, sollte demnach von Roßkamps Sozius verteidigt werden. Auch Cramer bestätigte als Zeuge nun diese Vorgänge - stellvertretend für seinen nicht vernehmungsfähigen Mandanten S.
Mirko Roßkamp unterließ gestern eine Erklärung der Vorfälle, sagte zu den Vorwürfen nur: »Das was da abgelaufen ist, ist korrekt abgelaufen.« Im übrigen sei er an die Schweigepflicht gebunden, was er in diesem Fall bedauere.

Artikel vom 07.07.2005