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Blair tanzt vor Freude

Ganz London feiert - nur die Königin gratuliert kühl


Gleneagles/London (dpa). Der britische Premierminister Tony Blair hielt die Spannung nicht mehr aus. Kurz bevor der Ausrichter der Olympischen Spiele 2012 in Singapur bekannt gegeben wurde, verließ er das Fernsehzimmer im schottischen Luxushotel Gleneagles, in dem er die Abstimmung in Singapur verfolgt hatte.
»Ich konnte es einfach nicht mehr mit ansehen, der Typ brauchte so lange, um den Umschlag aufzukriegen.« Als er dann die erlösende Botschaft bekam, gab es kein Halten mehr: »In meinem Job kommt es nicht oft vor, dass man in die Luft boxt, einen Freudentanz aufführt und die nächstbeste Person umarmt!«
Danach widerstand er der Versuchung, auf die vielen Journalistenfragen nach Jacques Chirac einzugehen und ließ sich nicht provozieren: »Ich werde bald mit dem Präsidenten sprechen. Wir arbeiten eng zusammen.«
Das sagte Blair - aber was er wirklich dachte und fühlte, behielt er für sich. Es muss ein Moment süßer Rache gewesen sein. Denn erst am Montag war bekannt geworden, dass Chirac und seine »Old-Europe«-Freunde Gerhard Schröder und Wladimir Putin am Wochenende Witze über die englische Küche gemacht hatten.
Das störte die Londoner an diesem denkwürdigen Tag überhaupt nicht: In der Metropole schwappte die Welle der Begeisterung über. Der Platz, an dem sie feierten, hätte nicht besser gewählt sein können. Lord Nelson blickte von seiner Statue aus 55 Metern Höhe hinab auf die Menschenmassen. Jener Admiral, der den Franzosen vor 200 Jahren in der Seeschlacht von Trafalgar bereits eine vernichtende Niederlage beigebracht hatte. Diesmal waren es Fußballstar David Beckham, Premierminister Tony Blair und der Olympiasieger Sebastian Coe, die Paris in die »Knie« zwangen.
Alle jubelten. Nur die Queen, die angeblich schon auf Paris getippt hatte, zeigte sich gewohnt zurückhaltend: »Ich sende meine herzlichsten Glückwünsche an das Team von London 2012. Dies ist ein bemerkenswerter Erfolg.«

Artikel vom 07.07.2005